Rezension: „Leo Lausemaus will nicht essen“

Den Text habe ich schon vor längerer Zeit geschrieben und gerade wiedergefunden – das Kind hatte soweit ich weiß eine lausemausfreie Kleinkindzeit 🙂

Es gibt auch noch andere Kritik im Internet an der porträtierten Eltern-Kind-Beziehung in Familie Lausemaus. Ich kenne bisher nur dieses Buch. Meine Schwiegermutter hatte noch ein zweites gekauft und es sofort weggeworfen weil sie so entsetzt war über das Verhalten der Eltern Lausemaus.

In diesem Buch hier geht es darum dass Leo die Suppe die ihm seine Mutter gekocht hat nicht essen will. Im Buch wird betont wie geduldig die Mutter in diesem Konflikt ist und wie trotzig und unvernünftig Leo. Dann klopft eine hungrige Grille an der Türe, wird erst einmal von Mama Lausemaus ausgeschimpft weil sie ja so faul ist und deswegen nichts zu essen hat, dann bekommt sie Leos Suppe. Leo bekommt zuerst von seiner Mutter dann von der Grille zu hören wie hungrig die Tiere im Wald sind und wie gut es ihm geht dass seine Mutter so eine leckere Suppe für ihn gekocht hat. Da kriegt er ein schlechtes Gewissen und isst doch von der Suppe, und erzählt seiner Mutter wie dankbar er ist.

Ich ärgere mich erstens über die Darstellung dass die Wut der Mutter berechtigt ist während Leo sich quasi für seine Wut entschuldigen muss. Leo wurde rausgerissen aus einer Tätigkeit die er schön fand in einem Moment an dem er noch keinen Hunger hatte, seine Wut ist aus seiner Sicht durchaus berechtigt. Ausserdem ist sie erwachsen und er ist ein Kleinkind, es ist ihre und nicht seine Aufgabe die Situation zu entschärfen.

Zweitens ärgere ich mich grundsätzlich über die Idee dass Kinder ihren Eltern für irgendetwas Dankbarkeit schulden. Man kann sich freuen dass man eine gute Beziehung zu den Kindern hat, dass sie zufrieden und ausgeglichen sind, aber man kann und soll meineserachtens für die Mühe die man sich macht nichts zurück erwarten. Normalerweise hat man symmetrische Freundschafts- oder Liebesbeziehungen – man erwartet dass die anderen Personen in etwa so viel investieren wie man selbst. Die Beziehung zu Kindern ist aber asymmetrisch: man investiert viel, und das Kind kriegt das nicht wirklich mit sondern ist in seinem eigenen kleinen Universum, und so soll es auch sein. Zu guter Elternschaft gehört auch dass man seinem Kind nicht vorwirft dass man etwas für es gemacht hat. Wenn man an diesem Punkt ist („ich mache so viel und niemand dankt es mir!“) sollte man meineserachtens eher bedenken ob es nicht reicht einfach weniger zu machen. Frau Lausemaus wäre vielleicht weniger wütend geworden wenn sie etwas weniger aufwändiges gekocht hätte (oder Herr Lausemaus das häufiger übernehmen würde).

Drittens finde ich auch die Darstellung von Armut hier vollkommen daneben, also die Idee dass Armut was mit Faulheit zu tun hat. Das ist natürlich angelehnt an die Fabel von la Fontaine, das weiß mein Kind doch aber nicht! Was es lernt ist dass es in Ordnung ist, Bettelnden Faulheit zu unterstellen und sie auch noch dafür zurechtzuweisen. Absolut unter aller Sau!

Ich bezweifle ausserdem dass dieses „andere Kinder haben nichts zu essen“ Argument funktioniert um Nichtessenwoller zum Essen zu bringen. Unser Kind isst tatsächlich schon immer wenig (ausser Eis und Kekse und so), ich habe aber bisher noch nicht wirklich was dazu gelesen. Ich kann mich noch ein bisschen erinnern dass ich selbst als Kind ganz komisch gegessen habe (quasi nur Nutellabrot, Fanta, Nudeln mit Thunfisch und Mayonnaise, Kinderschokolade, und Brühwürfel pur), und mich jetzt als Erwachsene trotzdem am Essensverhalten meiner Eltern orientiere, das ziemlich gesund und ausgewogen ist. Ich denke also es ist wichtiger was wir dem Kind vorleben als was es tatsächlich isst – solange es wächst und gedeiht und keine Mangelerscheinungen hat.

Viertens ärgere ich mich natürlich auch über den abwesenden Vater Lausemaus und manche Sprüche („…damit du so groß und stark wirst wie dein Papa“), aber das nur am Rande.

Also mein Fazit: Die Mäuse sind niedlich gezeichnet, aber das ist ein Text der auf allen Ebenen einfach nur schrecklich ist. Ich mache das sonst sehr selten (aus Faulheit und weil mein Mann ja dann eine andere Geschichte erzählt wenn er das Buch vorliest), aber in diesem Fall hab ich den Text notgedrungen verändert als unser Kind mit dem Buch ankam und es vorgelesen haben wollte. In meiner Version streiten sich Leo und Frau Lausemaus auch. Dann werden sie abgelenkt weil die Grille klopft und um etwas zu essen bittet. Die beiden sagen dass sie die Suppe mit ihr teilen können. Die Grille erzählt lustige Geschichten und singt ihnen was vor. Danach ist auch Leo hungrig und bekommt eine Suppe, und Leo und Frau Lausemaus vertragen sich wieder und kuscheln.

Ich denke wenn Kinder größer sind kann man durchaus das Buch so vorlesen wie es ist und dann erklären warum man es nicht gut findet, aber dafür ist das Kind noch zu klein.

Rezension: „Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte“

Dieses Buch ist ein fantastisches Aufklärungsbuch, das dazu noch sehr sehr lustig ist (es ist ja auch von Marc-Uwe Kling) und komplett unverkrampft und nebenbei ganz ganz viele Dinge super gut macht:

„Adultismus“ geraderücken: in vielen Aufklärungsbüchern erklären die Eltern den Kindern wie alles läuft, hier ist es schönerweise nachdem die Eltern grandios scheitern an dem Aufklärungsgespräch die große Schwester (mit der das Gespräch eigentlich geführt werden sollte) die der kleinen Schwester erklärt was Sex ist. Das ist erfrischend und ich nehme an – ohne ein Teenagerkind zu haben – dass diese tatsächlich oft informierter und aufgeklärter sind als ihre Eltern 🙂

Wenig Heterosexismus: es sind zwar nur Heteropaare im Buch, aber es wird erwähnt dass Menschen jedweden Geschlechts Sex miteinander haben können, und auch zwischen mehr als zwei Menschen (eher so am Rande als Scherz für die erwachsenen Lesenden denke ich – keine Panik!)

Es wird thematisiert dass Menschen Sex üblicherweise haben weil sie es schön finden, und nicht um Kinder zu kriegen – wie dadurch Kinder entstehen können wird aber auch erwähnt. Es wird sogar am Rande erwähnt dass man sich nicht unbedingt lieben muss um Sex miteinander zu haben.

Consent wird thematisiert (auch am Rande), und, was ich ganz toll fand, auch dass Eltern kein Recht haben den Jugendlichen vorzuschreiben ob sie Sex haben dürfen oder nicht. Ich habe mir Gedanken gemacht ob ich es besser gefunden hätte dass noch mehr über Consent geredet wird, aber da es ein Buch für jüngere Kinder (ca. 5+) ist finde ich es eigentlich gut so – solange das in Büchern für ältere Kinder thematisiert wird.

Ich hab vor einiger Zeit mal irgendwo (vergessen wo) eine Diskussion gelesen von „Penetration“ (eindringen) vs. „Circlusion“ (umschließen). Im Buch wird einmal von „penetrativem […] Geschlechtsverkehr“ gesprochen, aber woanders dann von „umschließen“. Ich hätte gedacht dass die Debatte relativ obskur ist und NIE im Mainstream ankommen wird. Wie schön dass das da so selbstverständlich verwendet wird!

Ich hab in Rezensionen von anderen Aufklärungsbüchern gelesen dass die Eltern der Meinung waren dass die Kinder verstört waren von expliziteren Bildern, ich kann das nicht beurteilen wie das bei uns wäre, aber das Buch verzichtet auf Bilder vom Geschlechtsakt.

Ich finde auch super dass der Vater eine zentrale Rolle spielt. Ich habe darüber nachgedacht ob es mich stört dass er etwas schlecht wegkommt in dem Buch – ob das so eine „Idiot Dad“ – Geschichte ist, aber ich finde eigentlich nicht. Es ist ja nicht so dass er etwas „klassisch weibliches“ versucht und dann die Mutter übernehmen muss weil er es nicht hinkriegt, sondern beide Eltern versuchen ziemlich unbeholfen ein Teenagerkind aufzuklären das wesentlich besser Bescheid weiß als sie selbst.

Also: wärmstens empfohlen, für Kinder gibt es viel zu lernen, für Erwachsene viel zu lachen 🙂

….kompass

Ich will hier kurz meine Meinung schreiben zu zwei sehr unterschiedlichen Büchern von attachment parenting Autorinnen die beide das Wort „Kompass“ im Namen haben.

Nora Imlau: „Mein Familienkompass“

Ich finde dieses Buch sehr, sehr empfehlenswert. Nora Imlau setzt meineserachtens dort an wo die Ratgeber von den Gewünschtestes Wunschkind-Autorinnen aufhören: sie fängt quasi in einer Situation an wo Eltern schon (relativ) bedürfnisorientiert erziehen aber an ihre Grenzen kommen und nicht richtig wissen wieso.

Sie beschreibt (S.30) dass wir alle lernen müssen mit uns selbst genau so geduldig und achtsam umzugehen wie wir es mit dem Kind tun (oder zumindest gerne würden). Man sollte an beiden Sachen arbeiten: an den eventuell zu hohen Ansprüchen UND daran, praktikable Lösungen zu finden.

Besonders wertvoll für dieses Ziel ist sicherlich das Kapitel „Endlich unperfekt“, wo einige Unsicherheiten und Fallstricke in der bedürfnisorientierten Erziehung angesprochen werden: z.B. das Gefühl dass diese Art der Erziehung nicht funktioniere, weil das Kind nicht besonders kooperativ wirkt. Ich hätte das rückblickend sehr gut für mich gefunden vor zwei, drei Jahren, weil ich tatsächlich die Erwartung hatte dass mein Kind durch meine bedürfnisorientierte Erziehung z.B. nur wenige Wutanfälle hat und diese auch schnell vorbei sind – es wäre evtl. alles etwas einfacher gewesen ohne diese Erwartung. Die Quintessenz dieses Teilkapitels ist, falsche Erwartungen an sich und das Kind loszulassen. Aufschlussreich, auch wenn man den Grundtenor schon kennt, sind auch die Teilkapitel „Großwerden ohne Gewalt“ und „Kooperation statt Gehorsam“, weil es darin u.a. um zwei Konzepte geht die häufig falsch verstanden werden, z.B. Kooperation: das bedeutet nicht dass Kinder das mitmachen was die Erwachsenen gerade brauchen oder wollen (S.131f), sondern dass sie z.B. in Kommunikation bleiben. Und Schimpfen: nicht alles Schimpfen im Sinne von verbaler Äußerung von Unzufriedenheit ist ein gewaltvoller Akt (S.118f), also man kann und soll seinen Kindern durchaus mitteilen wenn einen etwas verärgert. Sie nimmt auch Bezug auf das Thema das mich in den Kleinkindjahren besonders beschäftigt hat: das finden und wahren der eigenen Grenzen (S. 103):

„Problematisch wird Freundlichkeit erst, wenn wir darunter verstehen, dass wir unsere eigenen Grenzen nicht wahren dürfen. Also glauben, die freundliche Antwort sei immer ein Ja, und die unfreundliche ein Nein. Das ist ein Irrtum: Wir können freundlich sein, und trotzdem klar in der Kommunikation unserer Bedürfnisse und Grenzen.“

Sie betont auch, dass es keine EINE Art gibt bedürfnisorientiert zu sein (also z.B. mit Langzeitstillen, Familienbett usw), und dass Bedürfnisse und auch wie sie befriedigt werden können höchst individuell sind. Das Teilkapitel „Bedürfnisse als Richtschnur“ ist dabei sehr empfehlenswert, weil es konkrete Beispiele gibt, u.a. auch wie man Wünsche und Bedürfnisse auseinanderhalten kann, und wie man seine eigenen Bedürfnisse erkennen und erfüllen kann. Das darauffolgende Teilkapitel „Liebevolle Wegbegleiter“ geht es darum wie man den Rahmen für die Familie schafft — die Familienregeln.

Dieses Buch ist sehr bestärkend und legt das Hauptaugenmerk wieder auf das große Ganze: (i) dass man das Ganze eben nicht macht um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (kürzere Wutanfälle!) sondern weil man bestimmte Werte leben will – Werte wie Respekt vor einander und auch vor sich selbst, (ii) und dass es unterschiedliche Arten gibt diese Werte zu leben und alles nicht so dogmatisch gesehen werden darf.


Nicola Schmidt: „Der Elternkompass“

Nicola Schmidts Buch ist in Kapitel eingeteilt die verschiedene Altersstufen des Kindes wiederspiegeln (Schwangerschaft/Baby, Kleinkind, Schulkind).

Das Buch eignet sich vielleicht für werdende und frischgebackene Eltern die sehr klare Handlungsanweisungen wollen – ich weiß noch dass ich selbst sehr sehr frustriert war als ich ein paar Bücher von Jesper Juul gelesen hatte und das alles so schwammig und unklar war. An dem „gewünschtestes Wunschkind“ Blog fand ich damals schön dass es da sehr klare und präzise Meinungen und Empfehlungen gab, und dieses Buch ist, denke ich, in vielen Aspekten deckungsgleich mit dem Blog was die Meinungen/Empfehlungen angeht. Soweit die positiven Seiten.

Ich fand das Buch trotzdem unerträglich, aus verschiedenen Gründen:

A) Es wird extrem viel Druck aufgebaut. Also in Erziehung an sich liegt eh der Druck, dass man persönlich für das spätere Selbstwertgefühl, Wohlbefinden, und die Bindungsfähigkeit des Kindes verantwortlich ist, vor allem als Mutter. Ich bemerke oft wie viel leichter mein Mann in Erziehungsfragen agieren kann, der diesen Druck nicht (oder nicht so deutlich) spürt.

Das Buch von Nicola Schmidt geht noch weiter, sie behauptet dass wir durch unsere bindungsorientierte Erziehung die Welt retten können (s. Kapitel „Die Welt verändern, indem wir unsere Kinder anders erziehen“)

Die Handlungsanweisungen (und Argumente dafür warum das der einzig richtige Weg ist) sind bekannt: möglichst eingriffsfreie Schwangerschaft und Geburt, Stillen nach Bedarf und Langzeitstillen, Familienbett, Tragen, windelfrei, baby-led weaning, und bei all dem natürlich auch sehr entspannt sein weil Stress dem Kind schadet …. ich habe ehrlich gesagt viel übersprungen in den ersten Kapiteln. Es ist ganz schön erdrückend diese ganzen Sachen am Stück zu lesen statt in einem Blog in Häppchen, ich war schon vom Lesen total erschöpft von den ganzen Anforderungen, obwohl das ja alles schon hinter mir liegt.

Das fiese daran ist dass man (meiner Meinung nach) bei aller Energie die man da rein steckt nie alle diese Dinge schaffen kann. Wir waren die ganze Elternzeit zu zweit, hatten uns diese Dinge alle auch vorgenommen, und haben nur einen Bruchteil so hingekriegt.

Noch fieser finde ich, dass suggeriert wird dass Mutter und Kind das alles ja von Natur aus wollen. Also z.B. ganz am Anfang des Buches wird eine Dichotomie zwischen Mama/Baby und „den Anderen“ aufgemacht – die bösen anderen wollten in Schmidts Fall dass das Kind mit 7 Monaten auch mal wo anders schlafen kann als auf dem Arm der Mutter, Mutter und Kind fühlen aber dass es so richtig ist. Was ist aber wenn man es nicht so fühlt? Wenn man z.B. möchte dass das Kind auch beim Vater im Arm schlafen kann, wenn man im Familienbett nicht gut schläft, wenn man nicht stillen kann, wenn man es einfach nicht schafft die ganzen Stoffwindeln zu waschen? Wie soll man sich des Eindrucks erwehren dass man einfach nicht vehement genug versucht hat? Wie soll man dabei entspannt bleiben, wenn in dem Buch so viele Forschungergebnisse aufgelistet werden dass die Alternative schädlich ist für das Kind (und vielleicht dessen Kinder, und vielleicht für die Welt an sich)?

Also vielleicht bin ich da zu hart mit Nicola Schmidt, irgendwo ist bestimmt ein Disclaimer dass andere Arten zu leben auch ok sind.

B) Schmidt richtet sich an eine andere Lesendenschaft als sie (meiner Meinung nach) hat. Anders als in einem Blog über den man so stolpern kann, kann man – finde ich – bei einem Buch davon ausgehen, dass der Großteil der Lesenden das gekauft hat weil sie schon bindungsorientiert erziehen wollen und nicht so sicher sind wie das geht. Ich denke dass die Argumente unter Umständen so drastisch sind WEIL sie annimmt dass Eltern vorhaben die Kinder schreien zu lassen, oder nach Plan zu stillen statt nach Bedarf, usw.

C) Es stört mich auch dass so eine gewisse Arbeitsfeindlichkeit herrscht – obwohl Schmidt ja selbst berufstätig ist. Es wird plakativ z.B. über arbeiten gehen und „Fremdbetreuung“ gesprochen, als ob man so hyperkapitalistisch sei, z.B. zum Thema Kita: „In Interviews sprechen Psychoanalytiker von innerseelischen Katastrophen, Bildungsökonomen halten den späteren Arbeitsmarkterfolg dagegen.“ Als ob wir alle die wir unsere Kinder in die Kita bringen denken: ach, die Psyche des Kindes ist nicht so wichtig, Hauptsache es hat später auf dem Arbeitsmarkt Erfolg. Ich bringe mein Kind in die Kita weil ich arbeite, und ich arbeite (neben dem Aspekt dass ich meinen Job liebe und mein Mann auch kein Alleinverdienergehalt hat) primär weil ich mich nicht abhängig machen möchte von einem anderen Menschen, mit all den negativen Konsequenzen die das bei einer Scheidung oder Tod oder Erwerbsunfähigkeit usw des Ehepartners usw mit sich ziehen würde.

Zur Rolle des Vaters hab ich nur sehr wenig gefunden – Nicola Schmidt ist aber Ko-Autorin des Buchs „Vater werden“ – bestimmt gibt es da mehr Informationen.

Also im Großen und Ganzen bin ich sehr froh dass ich dieses Buch nicht früher gelesen habe, und empfehle es nicht weiter, oder zumindest nur in Verbindung mit dem „Elternkompass“ 🙂

Sich 50:50 Elternzeit „leisten können“

Immer und immer wieder in irgendwelchen Büchern und Interviews zu 50:50 Elternschaft müssen sich die Autor*innen oder die Eltern die so leben wollen dazu äußern wie um alles in der Welt man sich das leisten könnten sollte dass der Vater mal für 7 Monate Elternzeit nur 65% seines vorherigen Einkommens verdient. Warum wird bei einem klassischen Modell nie gefragt wie man es sich im Gegenzug leisten dass die Mutter für 3 oder mehr Jahre nur 50% ihres bisherigen Gehalts verdient oder vielleicht auch nichts?

Bei einem Durchschnittsmännervollzeiteinkommen von 4275€ Brutto verliert der Vater etwa 875€ pro Monat, also etwas mehr als 6000€ – wenn er mehr als der Durchschnitt verdient ist es mehr, da das Elterngeld bei 1800€ gedeckelt ist. Sagen wir also z.B.: er verdient 11000€ Brutto im Monat, und verliert daher etwa 4200€/Monat durch die Elternzeit (also fast 30’000€).

Das ist natürlich sehr viel Geld, aber der Wenigerverdienst wenn die Mutter drei Jahre oder mehr nicht arbeiten geht ist bestimmt höher. Selbst wenn die Mutter vor der Geburt einen relativ schlecht bezahlten Beruf hatte wo sie etwa 1400€ brutto verdient dann verliert sie in denselben 7 Elternzeitmonaten 2000€ und in den kommenden drei Jahren in denen sie nicht arbeitet etwas mehr als 35’000€.

Mein Plädoyer ist also dass Interviewende einfach aufhören die Frage zu stellen ob man sich die Väter-Elternzeit finanziell leisten können.

Oder sie fangen an sie richtig zu stellen: ich habe ja auch in einem frühen Post geschrieben dass wir uns die mehr als 3 Monate volle Carearbeit nicht leisten konnten und wollten. Dabei ging es nicht nur ums Geld sondern vor allem auch um andere Aspekte: Angst Aufträge zu verlieren, Angst den Anschluss zu verlieren, im Job hinterherzuhinken, evtl nicht mehr für voll genommen zu werden, etc. Ob das alles der Realität entspricht und gesund ist und eine Arbeitswelt in der man gerne leben will ist eine andere (sehr berechtigte) Frage, aber es würde schon helfen wenn man die Dinge beim Namen nennt.

Das kleine ich-bin-ich

von Mira Lobe, Illustration von Susi Weigel, ab ca. 4 Jahren

Das ist das poetischste Kinderbuch das ich bisher gelesen habe. Die Reime sind wunderschön. Die Geschichte ist es ebenfalls: ein kleines Wesen wird gefragt was es ist, und sucht dann quasi bei allen möglichen Tieren nach Zugehörigkeit: bin ich ein Pferd? Bin ich ein Fisch? Bin ich ein Papagei? Ein Hund? Mein Lieblingsteil ist der mit den Hunden:

Durch die Stadt und durch die Straßen
geht das bunte Tier spazieren
und begegnet neuen Tieren.

Trifft vor einem Bäckerladen
eine ganze Schar von Hunden
alle sind kurz angebunden
alle zerren an der Leine,
dicke, dünne, große, kleine
ruppige und struppige
seidige, geschmeidige
gut dressierte, schön frisierte
schmale, breite, Seit an Seite
dumme Hunde und gescheite.

„Guten Morgen, liebe Hunde
bin ich nicht vielleicht wie ihr,
ähnlich diesem Dackel hier?
Denn ich bin ich weiß nicht wer
Suche hin und suche her
suche her und suche hin
Möchte wissen wer ich bin.“

Alle Hunde groß und klein
bellen laut: „Was fällt dir ein?
Hast zwar Ohren wie ein Dackel,
auch sein Freuden-Schwanzgewackel,
aber deine kleinen Beine
sind nicht so schön krumm wie seine.
Hast auch keine Hundeleine
und bist überhaupt zu bunt – und kein Hund!“

Am Schluss erkennt es: „Ich bin ich!“, und wird auch als ein „ich-bin-ich“ von den anderen anerkannt. Ich finde das so eine wertvolle Botschaft, und es sind einfach wunderbare Reime. Es gibt sogar eine Anleitung wie man sich selbst ein „ich-bin-ich“ Tier basteln kann 🙂

Mutterinstinkt / Maternal gatekeeping

Eine interessante Sache wenn man in der Elternzeit parallel mit Kind zuhause ist, ist dass man – finde ich – relativ schnell merkt dass es den „Mutterinstinkt“ nicht gibt – beide lernen die Signale des Kindes zu entschlüsseln, beide machen das ziemlich gut, trotzdem können beide sich manchmal sehr uneinig sein was gerade mit dem Kind los ist. Zumindest in unserem Fall finde ich keinerlei Evidenz dafür dass ich das alles irgendwie besser konnte weil ich diejenige war die schwanger war und (teil-)gestillt habe. Wenn irgendwas mit dem Kind war habe ich meistens einen Entwicklungsschub vermutet, mein Mann anfangs meist Koliken, dann meist Zahnen.

Die ersten drei Monate war ich fast ausschließlich mit dem Versuch zu Stillen (inkl Stillberatung) beschäftigt, mein Mann hat fast alles andere gemacht (wickeln, anziehen, baden, usw.). Wir hatten ziemliche Stillprobleme, und ich musste quasi non-stop stillen – etwa alle zwei Stunden eine Stunde lang (inkl. Zufüttern durch ein kleines Schläuchlein, was ewig gedauert hat), zwischendrin hab ich versucht abzupumpen. Unsere Wochenbetthebamme hat sich das eine Weile angeschaut und dann empfohlen diesbezüglich einfach entspannter zu werden. Sobald wir das beherzigt haben und dem Kind ab und zu mal ein Fläschchen gegeben haben (z.B. unterwegs) hat es sich von alleine abgestillt und endlich endlich mal ordentlich zugenommen und das tägliche Wiegen und die ganzen Sorgen und inneren Konflikte waren Geschichte. Das ganze hatte allerdings den interessanten Effekt dass mein Mann sich zu anfangs mit fast allem was das Kind angeht besser auskannte als ich, da er ja drei Monate Vorsprung hatte (obwohl wir ja beide da waren und ich auch z.B. mal gewickelt habe).

Danach haben wir beide irgendwie alles gemacht, es gab Abmachungen, z.B. wer wann für das nächtliche Aufstehen zuständig ist, und es hat sich alles routinemässig eingepegelt. Dadurch dass eben niemand „Experte“ war hatten wir weder Probleme mit „maternal gatekeeping“ (dem Problem dass Mütter den Vätern nicht zutrauen irgendeinen Teil der Sorgearbeit „richtig“ zu erledigen) noch mit dem „mental load“ (dass die Mutter die Familienmanagerin ist die alles im Blick hat). Also jedeR von uns kann einfach plötzlich für ein paar Tage verreisen ohne dass man irgendetwas erklären oder vorbereiten müsste – beide haben alles im Blick.

Die einzigen Situationen in denen wir jeweils beide(!) so einen Gatekeepingreflex hatten war in „Krisensituationen“, also früher wenn das Kind mal länger geweint hat oder später z.B. bei Wutanfällen. Unsere Abmachung war dann dass die Person die zuerst da ist quasi zuständig ist. Die andere Person hält sich zurück, sogar wenn sie das Gefühl hat sie hätte in diesem Moment die bessere Methode das Kind zu trösten. Denn: selbst wenn das klappen würde und der Konflikt mit dem Kind in Sekundenschnelle gelöst wäre, hätte man dadurch den/die Partner/in in der eigenen Elternrolle verletzt, was langfristig zu mehr Unzufriedenheit führt. Wir haben das manchmal natürlich trotzdem unabsichtlich gemacht, und es hat sich für die „übergangene“ Person echt schlimm angefühlt, schlimmer als gerade nicht in der Lage zu sein das Kind zu beruhigen.

Was wir also gemacht haben ist dass der zweite Elternteil sich einfach zurückzieht und nach einer gewissen Weile mal nachfragt ob sie übernehmen soll. Manchmal sagte die Person die gerade beim Kind war erleichtert „ja“, manchmal konnte sie die Hilfe in dem Moment nicht annehmen, manchmal wurde sie sogar richtig wütend. Wir hatten da zwei unausgesprochene Deals: (i) der zweite Elternteil nimmt es sich nicht zu Herzen wenn er da mal angeschnauzt wird, da es kein echter Streit ist – man ist nur der Blitzableiter weil die andere Person gerade etwas überfordert ist (ii) der erste Elternteil ist nicht gekränkt falls sich bei dem zweiten der Konflikt plötzlich in Luft auflöst, das Kind z.B. dann schnell friedlich einschläft oder sich ganz einfach trösten lässt usw. – wir hatten die Situation oft genug um zu merken dass es nicht personengebunden war sondern schlicht und ergreifend einfach Zufall.

Ich beschreibe das nur so ausführlich weil das eben Situationen waren in denen es bei uns einen großen Konflikt zwischen dem Bedürfnis dem Kind zu helfen und dem Bedürfnis den Partner in Ruhe machen zu lassen gab. Das war also eine klassische Situation wo man in eine Maternal/Paternal Gatekeeping Falle treten könnte! Mein Tipp ist in diesem Fall die „Sensoren“ auf den Partner/die Partnerin zu richten statt auf das Kind. Wenn es ihm oder ihr gut geht, wird das schon alles gut. Wenn nicht, kann man anbieten zu übernehmen. Der andere Elternteil muss widerum lernen wahrzunehmen wann er überfordert ist und dann diese Hilfe auch anzunehmen.

Idiot Mum: Plädoyer für Faulheit im Haushalt

Es gibt ja in den Medien, v.a. in der Werbung, dieses Klischee des Idiot Dads: Väter die absolut gar nichts auf die Reihe kriegen was den Haushalt angeht. Viele regen sich zurecht über dieses Image auf, andere sind tatsächlich der Meinung dass der Vater Dinge „nicht richtig“ macht, vielleicht gibt es auch Personen die absichtlich etwas machen um von der lästigen Aufgabe entbunden zu werden.

Ich bin in unserer Familie definitiv die „Idiot Mum“. Gerade bin ich z.B. alleine zuhause und google „Waschpulver welches Fach?“ weil ich gerne waschen würde und keine Ahnung habe wie unsere Waschmaschine funktioniert, weil mein Mann das immer macht.

Das ist natürlich ein arbiträrer Zufall in unserer Haushaltsarbeitsaufteilung und bedeutet nicht dass ich gar nichts im Haushalt mache, aber ich will auf etwas anderes hinaus: ich finde wir sollten uns von der Prämisse verabschieden dass alles immer penibel aufgeräumt und penibel sauber sein muss, v.a. in einem Haushalt mit kleinen Kindern.

Wir haben häufig die Idee dass die Haushaltsarbeit mit demselben Zeitaufwand und Resultat betrieben werden kann und soll wie das in unserer Kindheit zuhause der Fall war, also dass es einen einzigen richtigen Weg gibt, Dinge zu machen (das Klo zu putzen z.B., s. Lohaus & Schulz 2015). Wenn wir aber mit Müttern (oder Vätern) aufgewachsen sind die gar nicht oder in Teilzeit gearbeitet haben, dann hatten die einfach viel mehr Zeit dafür.

Wir sollten uns also an die Idee gewöhnen dass es bei zwei vollzeit arbeitenden Menschen mit Kind oder Kindern zuhause einfach relativ chaotisch aussieht und das als den neuen Standard begreifen (zumindest für diese Personengruppe).

Eine Sache die bei mir sehr hilft ist dass ich überhaupt nicht zum Haushalt führen erzogen worden bin. Bevor ich zuhause ausgezogen bin hab ich im Haushalt z.B. gar nichts gemacht. Dafür werde ich meinen Eltern ewig dankbar sein. Ich kann gar nicht beschreiben wie sehr es mein WG-Leben und Beziehungleben vereinfacht hat in Bezug auf Haushalt dass ich weder Meinungen noch Ahnung habe. Dafür nehme ich gerne alle Konsequenzen daraus in Kauf!

Ich kann also nur dafür plädieren den eigenen Töchtern ebenfalls möglichst wenig Haushaltskompetenzen beizubringen, es lohnt sich! 😉

Nelly und die Berlinchen: Die Schatzsuche

Buchrezension: Nelly und die Berlinchen: die Schatzsuche. Karin Beese (Autorin) und Mathilde Rousseau (Illustratorin)

Ich habe in einem vorherigen Beitrag schon etwas über den ersten Band geschrieben.

In dem zweiten Band der Reihe geht es wieder um die drei Freundinnen Nelly, Amina und Hannah (die „Berlinchen“). Diesmal sind sie augenscheinlich mit ihren Familien auf dem Tempelhofer Feld unterwegs und treffen dort auf eine andere Kinderbande (die „Drachenbande“) mit denen sie sich zuerst spielerisch streiten (indem sie sich gegenseitig Rätsel stellen) und dann aber gemeinsam spielen.

Wieder ist das Buch natürlich wegen seiner selbstverständlichen Diversität (und in meinen Augen auch der starken Vaterfigur in Form von Nellys Vater) sehr empfehlenswert, und ich fand es in vielerlei Hinsicht besser als den Vorgänger.

Erstens gibt es in dieser Geschichte kein „Mädchen gegen Jungs“, was mich sehr erleichtert da ich diese Idee nicht aus Versehen durch Bücher bei uns einführen möchte.

Zweitens ist die Geschichte wesentlich interessanter und vielseitiger. Die Rätsel in Reimform sind sehr mitreißend (das Kind ruft immer die Lösungen laut mit). Die Geschichte ist trotzdem weniger furchteinflößend als die des ersten Bandes, da niemandem ernsthaft etwas passieren kann – das war mir damals nicht aufgefallen, aber das Kind hat gerade eine Phase in der es keine aufregenden Bücher mag und verschmäht daher den ersten Band gerade komplett.

Ich finde das Buch auch besser gereimt. Der Lieblingsreim des Kindes (der immer mal wieder in allen möglichen Situationen aufgesagt wird) ist:

In den Beeten, auf der Wiese,
unter Sträuchern, im Gemüse, …

Das Buch wird u.a. auch hier und hier besprochen.

„Ja“ sagen / „Nein“ sagen

Edit 2022: es gibt inzwischen im gewünschtestes Wunschkind Podcast eine empfehlenswerte Folge dazu: Folge 79 – Grenzen setzen in der beziehungs- und bedürfnisorientierten Elternschaft

Bei „gewünschtestes Wunschkind“ geht es (u.a.) viel um das „Ja“ obwohl man den natürlichen Impuls hat „Nein“ zu sagen (aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, Angst vor der Meinung Anderer, usw.), obwohl natürlich immer betont wird dass das eben nicht bedeutet alles zu erlauben, sondern man soll überlegt „Nein“ sagen an den Punkten wo es sinnvoll ist (weil z.B. die Grenzen anderer übertreten werden).

„Der beste Weg, die kindliche Kooperationsbereitschaft kontinuierlich zu fördern, besteht darin, so oft wie möglich „Ja!“ zu sagen, also eine „Ja“-Umgebung zu schaffen“ (Graf & Seide 2018, S.161)

Es ist nun aber so dass unsere Ausgangssituation ganz anders war als die der beiden Autorinnen und vieler Leser*innen ihres Blogs. Wir kommen beide aus Herkunftsfamilien in denen wir ziemlich verwöhnt wurden und also viel weniger internalisierte Verbote oder soetwas haben, die zu einem unüberlegten, automatischen „Nein“ führen würden. Wir hatten relativ wenig mit den Meinungen anderer zu kämpfen (u.a. auch weil die Großeltern ja sehr entspannt sind). Unser Kind ist Einzelkind, daher gibt es zuhause normalerweise keine Bedürfnisse anderer Kinder die berücksichtigt werden müssen, und wir verbringen im Schnitt vermutlich weniger Zeit alleine mit dem Kind – ich war vor der Coronazeit etwa 6 Stunden pro Woche mit ihm alleine. Das war also Zeit auf die man sich jedes Mal sehr gefreut hat, und für die man in der Zwischenzeit unendliche Geduldreserven angehäuft hat. Deswegen schert man sich in dieser Zeit vielleicht auch weniger um die eigenen Bedürfnisse – man hat ja sonst genug Zeit dafür.

Ich musste mir also quasi aneignen zu erkennen was Situationen sind in denen es angebracht und nötig ist dass man irgendetwas entgegen den Wünschen des Kindes durchsetzt – ich fand es anfangs sogar bei so „no-brainern“ wie Zähneputzen und Wickeln schwierig mich durchzusetzen. Manchmal hab ich das viel zu spät gemacht weil das Kind halt immer „Nein“ gesagt hat, manchmal beim Zähneputzen aus demselben Grund gar nicht. Ich habe mich dann durch ein paar Jesper Juul Bücher durchgekämpft und obwohl ich sie beim ersten durchlesen alle überhaupt nicht hilfreich fand dann doch ein bisschen was mitgenommen und trat danach einfach etwas entschiedener auf bei Dingen die ich aus gesundheitlichen Gründen wichtig finde. Das bedeutet nicht dass ich das Kind z.B. einfach gepackt und gewickelt habe (das hatte ich davor manchmal aus Verzweiflung gemacht), aber ich hatte mir da angewöhnt einfach sehr klar zu sagen was ich will, und mich dann schon dorthin zu begeben wo das stattfinden soll und alles vorzubereiten. Das Kind hat dann noch irgendwas fertiggespielt und kam dann meistens auch. Was auch gut half war irgendwelche Entscheidungen anzubieten (Was soll alles zum Wickeln/zum Rausgehen mitgenommen werden? Welche der vielen Zahnbürsten/-pasten soll genutzt werden?). Jetzt wo das Kind älter ist und sich länger alleine beschäftigen kann nehme ich manchmal noch ein Buch oder das Handy mit um die Wartezeit zu überbrücken 🙂

Bei uns sind die allermeisten Dinge keine solche „no-brainer“ – wir haben sehr wenig feste Regeln. Eine Regel die uns als Eltern sehr wichtig ist ist: Mama und Papa wechseln sich ab (z.B. beim Abholen aus der Kita, beim ins Bett bringen, …), darauf hat das Kind keinen Einfluß, auch wenn es Präferenzen hätte. Eine weitere wichtige Regel ist dass man in die Kita muss (wenn möglich), das Kind ging allerdings schon immer sehr gerne in die Kita, daher war das kein Problem. Die dritte Regel ist: wir Erwachsene bleiben beim Essen sitzen und beteiligen uns währenddessen nur an Spielen bei denen man sitzen kann.

Ansonsten versuchen wir schon einen festen Tagesablauf anzubieten, aber es ist eigentlich fast alles diskutierbar, bzw. auch von der Tagesform der Beteiligten abhängig. Mein Mann und ich haben auch teilweise unterschiedliche Vorstellungen. Wenn jemand zu etwas „Ja“ gesagt hat was die andere Person nicht gut findet hat sie quasi gewonnen (und wenn es der anderen Person wirklich wichtig ist muss das halt später in einer freien Minute verhandelt werden). Wenn jemand zu etwas „Nein“ gesagt hat was das Kind unbedingt will gibt es ja eh eine längere Verhandlung (das Kind ist erst dreieinhalb, hat aber teilweise schon einige Argumente auf Lager die einem den Wind aus den Segeln nehmen können), da kann sich dann die andere Person zu Gunsten des Kindes einsetzen wenn sie der Meinung ist dass das nicht so schlimm wäre. Wir sind also weder der Meinung (i) dass man da eine gemeinsame Front bilden muss noch (ii) dass man selbst immer konsequent sein muss mit den eigenen Regeln/Tagesstrukturen. Stattdessen ist es wichtig dass das Kind die Gründe für das jeweilige „Nein“ erfährt und da (auch manchmal erfolgreich) dagegen argumentieren kann.

Nelly und die Berlinchen – Rettung auf dem Spielplatz

Buchrezension: Nelly und die Berlinchen – Rettung auf dem Spielplatz. Karin Beese (Autorin) und Mathilde Rousseau (Illustratorin)

Dieses Buch hat ein sehr schönes Ziel, es ist feministisch und anti-rassistisch und zeigt auch verschiedene Familienformen (Hannahs Mutter ist z.B. alleinerziehend wenn ich das richtig verstanden habe), und Nelly’s Vater spielt in ihrer Familie eine wichtige Rolle, was mir sehr am Herzen liegt. Also das ist alles toll und es sollte viel mehr solche Bücher geben. Und unser Kind mag das Buch gern, und wollte es auch schon nachspielen mit uns.

Aber: das Buch hat mir nicht so gefallen. Ich habe eigentlich nur eine „richtige“ Kritik: Das ist das erste Buch das wir haben das man zumindest so auslegen kann dass es eine gewisse Mädchen vs. Jungs – Konkurrenz/Feindschaft gibt. Dieser Aspekt hat mir sogar in der Conni-Reihe besser gefallen, in der Conni ganz selbstverständlich auch mit Jungs befreundet ist.

Ansonsten habe ich eigentlich nur zu bemängeln dass es nicht ganz mein Geschmack ist. Das ist ja eigentlich egal, es muss ja dem Kind gefallen, aber wir lesen Bücher so häufig vor dass ich mir schon wünschen würde dass ich das Buch auch mag. Hier also was mir daran nicht gefallen hat:

Erstens: die Geschichte ist irgendwie repetitiv. Hier eine Kurzzusammenfassung: Aminas Bruder Samir und sein Freund Oskar klauen Aminas Teddy und werfen ihn zunächst auf dem Spielplatz auf einen Kletterturm. Nelly holt ihn, er fällt ihr aber beim Klettern runter. Dann klauen sie ihn wieder und werfen ihn auf einen höheren Kletterturm. Amina holt ihn und fällt selbst beim Klettern runter, wird von den anderen aufgefangen, und alle versöhnen sich.

Zweitens fand ich die Reime nicht schön. Ich habe allerdings den Fehler gemacht das gleich nach Mira Lobes „Das kleine Ich-bin-ich“ zu lesen, das mich total bezaubert hat mit seiner Poesie (mein Mann fand aber wiederum Lobes Buch anstrengend und repetitiv :)). Nichtsdestotrotz ist es meineserachtens holprig gereimt (nicht dass ich das besser könnte!).

Drittens finde ich das Buch nicht so schön gezeichnet. Mein Kind (das aber zugegebenermassen für das Buch am Anfang vielleicht noch zu klein war) hatte am Anfang manchmal auch ein bisschen Schwierigkeiten die Bilder zu entziffern.

Wir haben den zweiten Band dazu („Nelly und die Berlinchen – Die Schatzsuche“) jetzt gekauft – der gefällt mir viel besser (Rezension folgt!). Ich würde natürlich trotzdem auch für diesen Band eine dringende Kaufempfehlung aussprechen, weil es total wichtig ist dass Kinderbücher möglichst divers sind, und das ist das Berlinchen-Buch auf jeden Fall!