Rezension: „Leo Lausemaus will nicht essen“

Den Text habe ich schon vor längerer Zeit geschrieben und gerade wiedergefunden – das Kind hatte soweit ich weiß eine lausemausfreie Kleinkindzeit 🙂

Es gibt auch noch andere Kritik im Internet an der porträtierten Eltern-Kind-Beziehung in Familie Lausemaus. Ich kenne bisher nur dieses Buch. Meine Schwiegermutter hatte noch ein zweites gekauft und es sofort weggeworfen weil sie so entsetzt war über das Verhalten der Eltern Lausemaus.

In diesem Buch hier geht es darum dass Leo die Suppe die ihm seine Mutter gekocht hat nicht essen will. Im Buch wird betont wie geduldig die Mutter in diesem Konflikt ist und wie trotzig und unvernünftig Leo. Dann klopft eine hungrige Grille an der Türe, wird erst einmal von Mama Lausemaus ausgeschimpft weil sie ja so faul ist und deswegen nichts zu essen hat, dann bekommt sie Leos Suppe. Leo bekommt zuerst von seiner Mutter dann von der Grille zu hören wie hungrig die Tiere im Wald sind und wie gut es ihm geht dass seine Mutter so eine leckere Suppe für ihn gekocht hat. Da kriegt er ein schlechtes Gewissen und isst doch von der Suppe, und erzählt seiner Mutter wie dankbar er ist.

Ich ärgere mich erstens über die Darstellung dass die Wut der Mutter berechtigt ist während Leo sich quasi für seine Wut entschuldigen muss. Leo wurde rausgerissen aus einer Tätigkeit die er schön fand in einem Moment an dem er noch keinen Hunger hatte, seine Wut ist aus seiner Sicht durchaus berechtigt. Ausserdem ist sie erwachsen und er ist ein Kleinkind, es ist ihre und nicht seine Aufgabe die Situation zu entschärfen.

Zweitens ärgere ich mich grundsätzlich über die Idee dass Kinder ihren Eltern für irgendetwas Dankbarkeit schulden. Man kann sich freuen dass man eine gute Beziehung zu den Kindern hat, dass sie zufrieden und ausgeglichen sind, aber man kann und soll meineserachtens für die Mühe die man sich macht nichts zurück erwarten. Normalerweise hat man symmetrische Freundschafts- oder Liebesbeziehungen – man erwartet dass die anderen Personen in etwa so viel investieren wie man selbst. Die Beziehung zu Kindern ist aber asymmetrisch: man investiert viel, und das Kind kriegt das nicht wirklich mit sondern ist in seinem eigenen kleinen Universum, und so soll es auch sein. Zu guter Elternschaft gehört auch dass man seinem Kind nicht vorwirft dass man etwas für es gemacht hat. Wenn man an diesem Punkt ist („ich mache so viel und niemand dankt es mir!“) sollte man meineserachtens eher bedenken ob es nicht reicht einfach weniger zu machen. Frau Lausemaus wäre vielleicht weniger wütend geworden wenn sie etwas weniger aufwändiges gekocht hätte (oder Herr Lausemaus das häufiger übernehmen würde).

Drittens finde ich auch die Darstellung von Armut hier vollkommen daneben, also die Idee dass Armut was mit Faulheit zu tun hat. Das ist natürlich angelehnt an die Fabel von la Fontaine, das weiß mein Kind doch aber nicht! Was es lernt ist dass es in Ordnung ist, Bettelnden Faulheit zu unterstellen und sie auch noch dafür zurechtzuweisen. Absolut unter aller Sau!

Ich bezweifle ausserdem dass dieses „andere Kinder haben nichts zu essen“ Argument funktioniert um Nichtessenwoller zum Essen zu bringen. Unser Kind isst tatsächlich schon immer wenig (ausser Eis und Kekse und so), ich habe aber bisher noch nicht wirklich was dazu gelesen. Ich kann mich noch ein bisschen erinnern dass ich selbst als Kind ganz komisch gegessen habe (quasi nur Nutellabrot, Fanta, Nudeln mit Thunfisch und Mayonnaise, Kinderschokolade, und Brühwürfel pur), und mich jetzt als Erwachsene trotzdem am Essensverhalten meiner Eltern orientiere, das ziemlich gesund und ausgewogen ist. Ich denke also es ist wichtiger was wir dem Kind vorleben als was es tatsächlich isst – solange es wächst und gedeiht und keine Mangelerscheinungen hat.

Viertens ärgere ich mich natürlich auch über den abwesenden Vater Lausemaus und manche Sprüche („…damit du so groß und stark wirst wie dein Papa“), aber das nur am Rande.

Also mein Fazit: Die Mäuse sind niedlich gezeichnet, aber das ist ein Text der auf allen Ebenen einfach nur schrecklich ist. Ich mache das sonst sehr selten (aus Faulheit und weil mein Mann ja dann eine andere Geschichte erzählt wenn er das Buch vorliest), aber in diesem Fall hab ich den Text notgedrungen verändert als unser Kind mit dem Buch ankam und es vorgelesen haben wollte. In meiner Version streiten sich Leo und Frau Lausemaus auch. Dann werden sie abgelenkt weil die Grille klopft und um etwas zu essen bittet. Die beiden sagen dass sie die Suppe mit ihr teilen können. Die Grille erzählt lustige Geschichten und singt ihnen was vor. Danach ist auch Leo hungrig und bekommt eine Suppe, und Leo und Frau Lausemaus vertragen sich wieder und kuscheln.

Ich denke wenn Kinder größer sind kann man durchaus das Buch so vorlesen wie es ist und dann erklären warum man es nicht gut findet, aber dafür ist das Kind noch zu klein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert