Eine interessante Sache wenn man in der Elternzeit parallel mit Kind zuhause ist, ist dass man – finde ich – relativ schnell merkt dass es den „Mutterinstinkt“ nicht gibt – beide lernen die Signale des Kindes zu entschlüsseln, beide machen das ziemlich gut, trotzdem können beide sich manchmal sehr uneinig sein was gerade mit dem Kind los ist. Zumindest in unserem Fall finde ich keinerlei Evidenz dafür dass ich das alles irgendwie besser konnte weil ich diejenige war die schwanger war und (teil-)gestillt habe. Wenn irgendwas mit dem Kind war habe ich meistens einen Entwicklungsschub vermutet, mein Mann anfangs meist Koliken, dann meist Zahnen.
Die ersten drei Monate war ich fast ausschließlich mit dem Versuch zu Stillen (inkl Stillberatung) beschäftigt, mein Mann hat fast alles andere gemacht (wickeln, anziehen, baden, usw.). Wir hatten ziemliche Stillprobleme, und ich musste quasi non-stop stillen – etwa alle zwei Stunden eine Stunde lang (inkl. Zufüttern durch ein kleines Schläuchlein, was ewig gedauert hat), zwischendrin hab ich versucht abzupumpen. Unsere Wochenbetthebamme hat sich das eine Weile angeschaut und dann empfohlen diesbezüglich einfach entspannter zu werden. Sobald wir das beherzigt haben und dem Kind ab und zu mal ein Fläschchen gegeben haben (z.B. unterwegs) hat es sich von alleine abgestillt und endlich endlich mal ordentlich zugenommen und das tägliche Wiegen und die ganzen Sorgen und inneren Konflikte waren Geschichte. Das ganze hatte allerdings den interessanten Effekt dass mein Mann sich zu anfangs mit fast allem was das Kind angeht besser auskannte als ich, da er ja drei Monate Vorsprung hatte (obwohl wir ja beide da waren und ich auch z.B. mal gewickelt habe).
Danach haben wir beide irgendwie alles gemacht, es gab Abmachungen, z.B. wer wann für das nächtliche Aufstehen zuständig ist, und es hat sich alles routinemässig eingepegelt. Dadurch dass eben niemand „Experte“ war hatten wir weder Probleme mit „maternal gatekeeping“ (dem Problem dass Mütter den Vätern nicht zutrauen irgendeinen Teil der Sorgearbeit „richtig“ zu erledigen) noch mit dem „mental load“ (dass die Mutter die Familienmanagerin ist die alles im Blick hat). Also jedeR von uns kann einfach plötzlich für ein paar Tage verreisen ohne dass man irgendetwas erklären oder vorbereiten müsste – beide haben alles im Blick.
Die einzigen Situationen in denen wir jeweils beide(!) so einen Gatekeepingreflex hatten war in „Krisensituationen“, also früher wenn das Kind mal länger geweint hat oder später z.B. bei Wutanfällen. Unsere Abmachung war dann dass die Person die zuerst da ist quasi zuständig ist. Die andere Person hält sich zurück, sogar wenn sie das Gefühl hat sie hätte in diesem Moment die bessere Methode das Kind zu trösten. Denn: selbst wenn das klappen würde und der Konflikt mit dem Kind in Sekundenschnelle gelöst wäre, hätte man dadurch den/die Partner/in in der eigenen Elternrolle verletzt, was langfristig zu mehr Unzufriedenheit führt. Wir haben das manchmal natürlich trotzdem unabsichtlich gemacht, und es hat sich für die „übergangene“ Person echt schlimm angefühlt, schlimmer als gerade nicht in der Lage zu sein das Kind zu beruhigen.
Was wir also gemacht haben ist dass der zweite Elternteil sich einfach zurückzieht und nach einer gewissen Weile mal nachfragt ob sie übernehmen soll. Manchmal sagte die Person die gerade beim Kind war erleichtert „ja“, manchmal konnte sie die Hilfe in dem Moment nicht annehmen, manchmal wurde sie sogar richtig wütend. Wir hatten da zwei unausgesprochene Deals: (i) der zweite Elternteil nimmt es sich nicht zu Herzen wenn er da mal angeschnauzt wird, da es kein echter Streit ist – man ist nur der Blitzableiter weil die andere Person gerade etwas überfordert ist (ii) der erste Elternteil ist nicht gekränkt falls sich bei dem zweiten der Konflikt plötzlich in Luft auflöst, das Kind z.B. dann schnell friedlich einschläft oder sich ganz einfach trösten lässt usw. – wir hatten die Situation oft genug um zu merken dass es nicht personengebunden war sondern schlicht und ergreifend einfach Zufall.
Ich beschreibe das nur so ausführlich weil das eben Situationen waren in denen es bei uns einen großen Konflikt zwischen dem Bedürfnis dem Kind zu helfen und dem Bedürfnis den Partner in Ruhe machen zu lassen gab. Das war also eine klassische Situation wo man in eine Maternal/Paternal Gatekeeping Falle treten könnte! Mein Tipp ist in diesem Fall die „Sensoren“ auf den Partner/die Partnerin zu richten statt auf das Kind. Wenn es ihm oder ihr gut geht, wird das schon alles gut. Wenn nicht, kann man anbieten zu übernehmen. Der andere Elternteil muss widerum lernen wahrzunehmen wann er überfordert ist und dann diese Hilfe auch anzunehmen.