Mutterinstinkt / Maternal gatekeeping

Eine interessante Sache wenn man in der Elternzeit parallel mit Kind zuhause ist, ist dass man – finde ich – relativ schnell merkt dass es den „Mutterinstinkt“ nicht gibt – beide lernen die Signale des Kindes zu entschlüsseln, beide machen das ziemlich gut, trotzdem können beide sich manchmal sehr uneinig sein was gerade mit dem Kind los ist. Zumindest in unserem Fall finde ich keinerlei Evidenz dafür dass ich das alles irgendwie besser konnte weil ich diejenige war die schwanger war und (teil-)gestillt habe. Wenn irgendwas mit dem Kind war habe ich meistens einen Entwicklungsschub vermutet, mein Mann anfangs meist Koliken, dann meist Zahnen.

Die ersten drei Monate war ich fast ausschließlich mit dem Versuch zu Stillen (inkl Stillberatung) beschäftigt, mein Mann hat fast alles andere gemacht (wickeln, anziehen, baden, usw.). Wir hatten ziemliche Stillprobleme, und ich musste quasi non-stop stillen – etwa alle zwei Stunden eine Stunde lang (inkl. Zufüttern durch ein kleines Schläuchlein, was ewig gedauert hat), zwischendrin hab ich versucht abzupumpen. Unsere Wochenbetthebamme hat sich das eine Weile angeschaut und dann empfohlen diesbezüglich einfach entspannter zu werden. Sobald wir das beherzigt haben und dem Kind ab und zu mal ein Fläschchen gegeben haben (z.B. unterwegs) hat es sich von alleine abgestillt und endlich endlich mal ordentlich zugenommen und das tägliche Wiegen und die ganzen Sorgen und inneren Konflikte waren Geschichte. Das ganze hatte allerdings den interessanten Effekt dass mein Mann sich zu anfangs mit fast allem was das Kind angeht besser auskannte als ich, da er ja drei Monate Vorsprung hatte (obwohl wir ja beide da waren und ich auch z.B. mal gewickelt habe).

Danach haben wir beide irgendwie alles gemacht, es gab Abmachungen, z.B. wer wann für das nächtliche Aufstehen zuständig ist, und es hat sich alles routinemässig eingepegelt. Dadurch dass eben niemand „Experte“ war hatten wir weder Probleme mit „maternal gatekeeping“ (dem Problem dass Mütter den Vätern nicht zutrauen irgendeinen Teil der Sorgearbeit „richtig“ zu erledigen) noch mit dem „mental load“ (dass die Mutter die Familienmanagerin ist die alles im Blick hat). Also jedeR von uns kann einfach plötzlich für ein paar Tage verreisen ohne dass man irgendetwas erklären oder vorbereiten müsste – beide haben alles im Blick.

Die einzigen Situationen in denen wir jeweils beide(!) so einen Gatekeepingreflex hatten war in „Krisensituationen“, also früher wenn das Kind mal länger geweint hat oder später z.B. bei Wutanfällen. Unsere Abmachung war dann dass die Person die zuerst da ist quasi zuständig ist. Die andere Person hält sich zurück, sogar wenn sie das Gefühl hat sie hätte in diesem Moment die bessere Methode das Kind zu trösten. Denn: selbst wenn das klappen würde und der Konflikt mit dem Kind in Sekundenschnelle gelöst wäre, hätte man dadurch den/die Partner/in in der eigenen Elternrolle verletzt, was langfristig zu mehr Unzufriedenheit führt. Wir haben das manchmal natürlich trotzdem unabsichtlich gemacht, und es hat sich für die „übergangene“ Person echt schlimm angefühlt, schlimmer als gerade nicht in der Lage zu sein das Kind zu beruhigen.

Was wir also gemacht haben ist dass der zweite Elternteil sich einfach zurückzieht und nach einer gewissen Weile mal nachfragt ob sie übernehmen soll. Manchmal sagte die Person die gerade beim Kind war erleichtert „ja“, manchmal konnte sie die Hilfe in dem Moment nicht annehmen, manchmal wurde sie sogar richtig wütend. Wir hatten da zwei unausgesprochene Deals: (i) der zweite Elternteil nimmt es sich nicht zu Herzen wenn er da mal angeschnauzt wird, da es kein echter Streit ist – man ist nur der Blitzableiter weil die andere Person gerade etwas überfordert ist (ii) der erste Elternteil ist nicht gekränkt falls sich bei dem zweiten der Konflikt plötzlich in Luft auflöst, das Kind z.B. dann schnell friedlich einschläft oder sich ganz einfach trösten lässt usw. – wir hatten die Situation oft genug um zu merken dass es nicht personengebunden war sondern schlicht und ergreifend einfach Zufall.

Ich beschreibe das nur so ausführlich weil das eben Situationen waren in denen es bei uns einen großen Konflikt zwischen dem Bedürfnis dem Kind zu helfen und dem Bedürfnis den Partner in Ruhe machen zu lassen gab. Das war also eine klassische Situation wo man in eine Maternal/Paternal Gatekeeping Falle treten könnte! Mein Tipp ist in diesem Fall die „Sensoren“ auf den Partner/die Partnerin zu richten statt auf das Kind. Wenn es ihm oder ihr gut geht, wird das schon alles gut. Wenn nicht, kann man anbieten zu übernehmen. Der andere Elternteil muss widerum lernen wahrzunehmen wann er überfordert ist und dann diese Hilfe auch anzunehmen.

Idiot Mum: Plädoyer für Faulheit im Haushalt

Es gibt ja in den Medien, v.a. in der Werbung, dieses Klischee des Idiot Dads: Väter die absolut gar nichts auf die Reihe kriegen was den Haushalt angeht. Viele regen sich zurecht über dieses Image auf, andere sind tatsächlich der Meinung dass der Vater Dinge „nicht richtig“ macht, vielleicht gibt es auch Personen die absichtlich etwas machen um von der lästigen Aufgabe entbunden zu werden.

Ich bin in unserer Familie definitiv die „Idiot Mum“. Gerade bin ich z.B. alleine zuhause und google „Waschpulver welches Fach?“ weil ich gerne waschen würde und keine Ahnung habe wie unsere Waschmaschine funktioniert, weil mein Mann das immer macht.

Das ist natürlich ein arbiträrer Zufall in unserer Haushaltsarbeitsaufteilung und bedeutet nicht dass ich gar nichts im Haushalt mache, aber ich will auf etwas anderes hinaus: ich finde wir sollten uns von der Prämisse verabschieden dass alles immer penibel aufgeräumt und penibel sauber sein muss, v.a. in einem Haushalt mit kleinen Kindern.

Wir haben häufig die Idee dass die Haushaltsarbeit mit demselben Zeitaufwand und Resultat betrieben werden kann und soll wie das in unserer Kindheit zuhause der Fall war, also dass es einen einzigen richtigen Weg gibt, Dinge zu machen (das Klo zu putzen z.B., s. Lohaus & Schulz 2015). Wenn wir aber mit Müttern (oder Vätern) aufgewachsen sind die gar nicht oder in Teilzeit gearbeitet haben, dann hatten die einfach viel mehr Zeit dafür.

Wir sollten uns also an die Idee gewöhnen dass es bei zwei vollzeit arbeitenden Menschen mit Kind oder Kindern zuhause einfach relativ chaotisch aussieht und das als den neuen Standard begreifen (zumindest für diese Personengruppe).

Eine Sache die bei mir sehr hilft ist dass ich überhaupt nicht zum Haushalt führen erzogen worden bin. Bevor ich zuhause ausgezogen bin hab ich im Haushalt z.B. gar nichts gemacht. Dafür werde ich meinen Eltern ewig dankbar sein. Ich kann gar nicht beschreiben wie sehr es mein WG-Leben und Beziehungleben vereinfacht hat in Bezug auf Haushalt dass ich weder Meinungen noch Ahnung habe. Dafür nehme ich gerne alle Konsequenzen daraus in Kauf!

Ich kann also nur dafür plädieren den eigenen Töchtern ebenfalls möglichst wenig Haushaltskompetenzen beizubringen, es lohnt sich! 😉

„Ja“ sagen / „Nein“ sagen

Edit 2022: es gibt inzwischen im gewünschtestes Wunschkind Podcast eine empfehlenswerte Folge dazu: Folge 79 – Grenzen setzen in der beziehungs- und bedürfnisorientierten Elternschaft

Bei „gewünschtestes Wunschkind“ geht es (u.a.) viel um das „Ja“ obwohl man den natürlichen Impuls hat „Nein“ zu sagen (aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, Angst vor der Meinung Anderer, usw.), obwohl natürlich immer betont wird dass das eben nicht bedeutet alles zu erlauben, sondern man soll überlegt „Nein“ sagen an den Punkten wo es sinnvoll ist (weil z.B. die Grenzen anderer übertreten werden).

„Der beste Weg, die kindliche Kooperationsbereitschaft kontinuierlich zu fördern, besteht darin, so oft wie möglich „Ja!“ zu sagen, also eine „Ja“-Umgebung zu schaffen“ (Graf & Seide 2018, S.161)

Es ist nun aber so dass unsere Ausgangssituation ganz anders war als die der beiden Autorinnen und vieler Leser*innen ihres Blogs. Wir kommen beide aus Herkunftsfamilien in denen wir ziemlich verwöhnt wurden und also viel weniger internalisierte Verbote oder soetwas haben, die zu einem unüberlegten, automatischen „Nein“ führen würden. Wir hatten relativ wenig mit den Meinungen anderer zu kämpfen (u.a. auch weil die Großeltern ja sehr entspannt sind). Unser Kind ist Einzelkind, daher gibt es zuhause normalerweise keine Bedürfnisse anderer Kinder die berücksichtigt werden müssen, und wir verbringen im Schnitt vermutlich weniger Zeit alleine mit dem Kind – ich war vor der Coronazeit etwa 6 Stunden pro Woche mit ihm alleine. Das war also Zeit auf die man sich jedes Mal sehr gefreut hat, und für die man in der Zwischenzeit unendliche Geduldreserven angehäuft hat. Deswegen schert man sich in dieser Zeit vielleicht auch weniger um die eigenen Bedürfnisse – man hat ja sonst genug Zeit dafür.

Ich musste mir also quasi aneignen zu erkennen was Situationen sind in denen es angebracht und nötig ist dass man irgendetwas entgegen den Wünschen des Kindes durchsetzt – ich fand es anfangs sogar bei so „no-brainern“ wie Zähneputzen und Wickeln schwierig mich durchzusetzen. Manchmal hab ich das viel zu spät gemacht weil das Kind halt immer „Nein“ gesagt hat, manchmal beim Zähneputzen aus demselben Grund gar nicht. Ich habe mich dann durch ein paar Jesper Juul Bücher durchgekämpft und obwohl ich sie beim ersten durchlesen alle überhaupt nicht hilfreich fand dann doch ein bisschen was mitgenommen und trat danach einfach etwas entschiedener auf bei Dingen die ich aus gesundheitlichen Gründen wichtig finde. Das bedeutet nicht dass ich das Kind z.B. einfach gepackt und gewickelt habe (das hatte ich davor manchmal aus Verzweiflung gemacht), aber ich hatte mir da angewöhnt einfach sehr klar zu sagen was ich will, und mich dann schon dorthin zu begeben wo das stattfinden soll und alles vorzubereiten. Das Kind hat dann noch irgendwas fertiggespielt und kam dann meistens auch. Was auch gut half war irgendwelche Entscheidungen anzubieten (Was soll alles zum Wickeln/zum Rausgehen mitgenommen werden? Welche der vielen Zahnbürsten/-pasten soll genutzt werden?). Jetzt wo das Kind älter ist und sich länger alleine beschäftigen kann nehme ich manchmal noch ein Buch oder das Handy mit um die Wartezeit zu überbrücken 🙂

Bei uns sind die allermeisten Dinge keine solche „no-brainer“ – wir haben sehr wenig feste Regeln. Eine Regel die uns als Eltern sehr wichtig ist ist: Mama und Papa wechseln sich ab (z.B. beim Abholen aus der Kita, beim ins Bett bringen, …), darauf hat das Kind keinen Einfluß, auch wenn es Präferenzen hätte. Eine weitere wichtige Regel ist dass man in die Kita muss (wenn möglich), das Kind ging allerdings schon immer sehr gerne in die Kita, daher war das kein Problem. Die dritte Regel ist: wir Erwachsene bleiben beim Essen sitzen und beteiligen uns währenddessen nur an Spielen bei denen man sitzen kann.

Ansonsten versuchen wir schon einen festen Tagesablauf anzubieten, aber es ist eigentlich fast alles diskutierbar, bzw. auch von der Tagesform der Beteiligten abhängig. Mein Mann und ich haben auch teilweise unterschiedliche Vorstellungen. Wenn jemand zu etwas „Ja“ gesagt hat was die andere Person nicht gut findet hat sie quasi gewonnen (und wenn es der anderen Person wirklich wichtig ist muss das halt später in einer freien Minute verhandelt werden). Wenn jemand zu etwas „Nein“ gesagt hat was das Kind unbedingt will gibt es ja eh eine längere Verhandlung (das Kind ist erst dreieinhalb, hat aber teilweise schon einige Argumente auf Lager die einem den Wind aus den Segeln nehmen können), da kann sich dann die andere Person zu Gunsten des Kindes einsetzen wenn sie der Meinung ist dass das nicht so schlimm wäre. Wir sind also weder der Meinung (i) dass man da eine gemeinsame Front bilden muss noch (ii) dass man selbst immer konsequent sein muss mit den eigenen Regeln/Tagesstrukturen. Stattdessen ist es wichtig dass das Kind die Gründe für das jeweilige „Nein“ erfährt und da (auch manchmal erfolgreich) dagegen argumentieren kann.

Bedürfnisorientierte Erziehung / Attachment Parenting

Ich bin sehr froh dass ich schon sehr früh auf dieses Thema gestoßen bin, eigentlich schon während der Schwangerschaft. Bedürfnisorientierte Erziehung ist ein Erziehungsstil der mich sehr angesprochen hat weil die grundliegende Idee dahinter sehr wertschätzend dem Kind gegenüber ist.

Man denkt vielleicht erst einmal, und in diese Falle bin ich auch erst getappt, dass die Grundidee ist, möglichst alle Wünsche des Kindes zu erfüllen. Aber das stimmt nicht, die Kernidee ist dass Kinder im Grunde kooperativ sind, und dass man versucht zu entschlüsseln was hinter irgendwelchen Konflikten die man mit dem Kind hat stecken könnte. Es geht darum zu verlernen dem Kind irgendwelche negativen Motive zu unterstellen und/oder ihm die Schuld für den Konflikt in die Schuhe zu schieben. Stattdessen soll man einerseits im Blick haben dass Kleinkinder in einem Entwicklungsstadium sind in dem sie mit sehr vielen Sachen noch nicht umgehen können und wir die Verantwortung haben ihnen dabei zu helfen das zu lernen. Andererseits sollte man wenn Konflikte gehäuft auftreten überlegen ob es irgendein Grundbedürfnis gibt das vielleicht nicht erfüllt ist. Also quasi weg von dem konkreten Fall (z.B. das Kind beißt andere Kinder) ganz rational zu ergründen was man machen kann um dem Kind generell zu helfen.

Welche Wünsche man nun erfüllt und welche nicht ist familiensache. Es ist schwieriger respektvoll „nein“ zu sagen als „ja“ (da man in diesem Moment ja quasi seine Macht als Elternteil durchsetzt), und z.B. die „gewünschtestes Wunschkind“ Autorinnen raten auch, sich das „Nein“ gut zu überlegen (also nicht dauernd z.B. aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, Angst vor der Meinung Anderer, usw. „nein“ zu sagen). Ich als Mensch der eher vielleicht zu häufig „Ja“ sagt (auch aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, und Konfliktscheu) bin aber auch der Meinung dass man sich auch sein „Ja“ wenn möglich gut überlegen soll. Also für Menschen wie mich ist es wichtig sich einen Moment Gedanken zu machen ob das Kind dabei etwas neues erleben und lernen kann (z.B. wenn es die Jacke erstmal nicht anziehen will sondern vielleicht erst draußen, wenn es mit irgendwelchem Schmodder spielen will den man selber eklig findet, wenn es irgendeinen komplett anderen Weg gehen will der einen gar nicht nach Hause bringt etc.), oder ob es etwas ist was eher negative Konsequenzen hat (Schokolade zum Frühstück, viel Medienkonsum). Ich denke auch das mit den negativen Konsequenzen kann man mal machen, aber eben nicht dauerhaft.

Andererseits muss man bei all dem auch gut zu sich sein. Also wenn man die Entscheidung trifft einem Wunsch nachzugehen und dann gleich danach merkt dass das keine gute Idee war (und man erzieht bindungsorientiert und sucht die Schuld für die Konsequenzen daher nicht beim Kind), hilft es, finde ich, sehr, das als eine Art Lernprozess zu sehen statt ein schlechtes Gewissen zu haben oder das Gefühl zu haben man hat in dem Moment als Elter versagt. Man muss eben lernen wie viel man dem Kind und auch sich selbst zumuten kann, und dabei Dinge ausprobieren. Bedürfnisorientierte Erziehung heißt eben auch, zu versuchen die Bedürfnisse aller Beteiligten (auch die eigenen) im Blick zu behalten und bei Entscheidungen zu berücksichtigen.

Ein Beispiel: Wenn ich z.B. dem Wunsch meines Kindes nachgebe einfach geradeaus zu laufen obwohl ich weiß dass wir dann nicht pünklich etwas zu Abend essen können und dann beide hungrig und genervt sind – ich noch mehr als das Kind -, dann darf ich die Schuld nicht beim Kind suchen. Ich bin ja die Erziehungsperson und es war letztendlich meine Entscheidung ob wir das machen. Ich sollte also nicht sagen: „Siehst du, das passiert wenn wir geradeaus laufen, das hast du jetzt davon.“ Ich sollte mir aber auch keine Vorwürfe machen. Es ist ja nichts schlimmes passiert: wir kaufen eine Brezel, das Abendessen wird ein bisschen nach hinten verschoben und das Kind hat dann evtl halt keinen Hunger mehr weil es schon eine Brezel gegessen hat. Dafür hat es herausgefunden was am Ende der Straße ist an der wir sonst immer vorbei laufen.

Ein anderes Beispiel: Ich gebe z.B. dem Wunsch meines Kindes nicht nach mit ihm vor anderen Menschen Hund und Herrchen/Frauchen zu spielen, weil ich Lust habe mich mit diesen Menschen zu unterhalten und es mir vor ihnen auch ein bisschen peinlich ist auf allen Vieren mit dem Po zu wackeln während ich einen Frisbee im Mund habe. Das Kind ist dann evtl sehr traurig und wütend und man muss ihm in diesem Moment helfen mit diesen Gefühlen umzugehen, d.h. es trösten und für es da sein. Das bedeutet aber nicht dass ich nachgebe und den Hund spiele, es bedeutet einfach dass ich anerkenne dass das Kind noch zu klein ist um alleine mit seinen negativen Gefühlen klar zu kommen, und ich oder wir versuchen zu helfen (häufig lässt sich das Kind bei uns eher von der Person trösten die den Wutanfall nicht mitverursacht hat). Das bedeutet natürlich auch dass mein Wunsch mit meinen Freunden zu reden in diesem Moment nicht erfüllt werden kann, aber das sollte ich dem Kind nicht vorwerfen – es kann ja nichts dafür dass es von seinen Gefühlen überrannt wird und sie noch nicht im Griff hat. Ich sollte aber auch kein schlechtes Gewissen haben weil ich quasi die Ursache des Wutanfalls bin. Mein Kind kann den Umgang mit negativen Gefühlen nur erlernen wenn es sie erlebt. Wenn wir also versuchen würden jeglichen Frust von ihm fernzuhalten, würden wir ihm auch keinen Gefallen tun. Außerdem, so schreibt Jesper Juul, ist es für die Kinder wichtig, die persönlichen Grenzen der Eltern zu erfahren um selbst später in der Lage zu sein, persönliche Grenzen zu setzen.

Elternzeit 50/50

(Alle allgemeinen Infos zur Elternzeit hier ohne Gewähr – ich hab mir das auch nur ergoogelt!)

Ich kenne einige Paare die sich die Elternzeit mehr oder minder 50/50 aufgeteilt haben, dabei 1-2 Monate überlappend damit das Kind sich an das bisher weniger präsente Elternteil gewöhnen kann (und man evtl. noch zusammen in den Urlaub fahren kann). Meist hat jedoch jeweils eine Person voll gearbeitet während die andere Person voll zuhause war. Als mein Mann und ich vor der Frage standen wie wir das machen wollen ist uns aber schnell klar geworden dass wir es uns beide nicht leisten konnten/wollten ein halbes Jahr am Stück nicht zu arbeiten – und wir uns auch keine der beiden Rollen besonders schön vorgestellt haben. Wir haben also etwas gemacht was wir sonst von keinem anderen Paar kannten, nämlich im ersten Jahr alles parallel. Wir waren zunächst 3 Monate beide mit dem Baby zuhause, dann haben wir jeweils ein paar Stunden wieder angefangen zu arbeiten und das langsam gesteigert bis wir nach 6 Monaten dann 50% gearbeitet haben. Dabei blieb es dann auch bis unser Kind ein Jahr war. Dann bin ich wieder 100% arbeiten gegangen, und mein Mann war etwa zwei Monate 100% mit dem Kind zuhause. Das war allerdings ein Planungsfehler meinerseits, ich dachte der Kitagutschein ab dem ersten Geburtstag bedeutet dass das Kind dann auch schon relativ zügig den ganzen Tag da bleibt. Dass unsere Eingewöhnung erst anderthalb Monate später beginnt weil natürlich nicht alle Kinder gleichzeitig eingewöhnt werden, und das dann auch trotz großer Kitabegeisterung des Kindes sehr langsam und behutsam gemacht wird hatte ich nicht bedacht. Außer diese letzten zwei Monate war das aber alles wunderschön und unkompliziert, wir haben uns nie allein mit dem Kind zuhause gelangweilt, bei der Kindererziehung nie außen vor oder uninvolviert gefühlt, und im Job auch größtenteils so gefühlt als würden wir am Ball bleiben.

Offiziell gehen wir allerdings nicht als 50/50-Paar in die Statistik des BMFSFJ ein – ich habe nach dem Mutterschutz erst einmal Basiselterngeld empfangen, und nach dem halben Jahr dann Elterngeld Plus bis ich wieder voll gearbeitet habe. Mein Mann, der selbstständig ist, hat offiziell gar keine Elternzeit genommen, und daher auch kein Elterngeld bekommen – er hat einfach gar keine / weniger Aufträge angenommen. Wir konnten uns das leisten weil wir immernoch einen sehr… ähm, sagen wir mal studentischen Lebensstil haben mit wenig Fixkosten, und auch Erspartes hatten.

Personen die dieses Modell in Erwägung ziehen, aber beide Elterngeld beziehen möchten, würde ich das Elterngeld Plus wärmstens empfehlen. Dabei geht man in der Regel* Teilzeit arbeiten und erhält Elterngeld zur Aufstockung. Elterngeld Plus erhält man doppelt so lange wie das Basiselterngeld. Wenn man wie wir die ersten 3 Monate komplett als Familie zuhause bleiben will und danach in Teilzeit arbeiten könnten also beide die ersten drei Monate komplett zuhause bleiben, und danach noch acht Monate gemeinsam Elterngeld Plus beziehen. Jetzt ist das Kind 11 Monate alt. Vier extra Monate kann man durch den sogenannten Partnerschaftsbonus** erhalten, den gibt es aber nur wenn beide Elternteile zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten – also jeweils etwas mehr als 50%. Generell geht das mit dem gleichzeitig Teilzeit arbeiten nur wenn entweder beide entweder kompatible regelmässige Arbeitszeiten aushandeln können (z.B. feste Wochentage) oder mindestens eine Person flexible Arbeitszeiten hat und diese um die Arbeitszeiten des anderen herumplanen kann. Bei den Partnerschaftbonusmonaten ist man dann mit flexiblen Arbeitszeiten im Vorteil – ansonsten braucht man einen Babysitter. Nach Ablauf dieser vier Monate ist das Kind 15 Monate alt und man hat keinen Anspruch mehr auf Elterngeld. Falls die Kita noch nicht angefangen hat hat man also dann dasselbe Problem wie Eltern die Vollzeit mit Kind zuhause bleiben, nur eben 1-3 Monate später. Man müsste dann also bis das Kind in die Kita geht so weitermachen wie bisher, nur ohne finanzielle Aufstockung. Wichtig ist dass beide Eltern bis zum dritten Geburtstag des Kindes einen Anspruch auf Elternzeit haben, dazu gehört auch die Möglichkeit währenddessen in Teilzeit zu arbeiten (bis zu 30 Wochenstunden). Nur der Anspruch auf Elterngeld erlischt, man hat trotzdem einen Anspruch darauf in Teilzeit zu arbeiten. Wenn man es sich finanziell leisten kann wäre es vermutlich entspannter für die Kitaplatzsuche wenn beide einplanen, erst im auf den 1. Geburtstag folgenden Herbst/Winter mit der Eingewöhnung zu beginnen – die meisten Kitaplätze werden ja im August frei wenn die ältesten Kinder eingeschult werden. Die Kinder werden also im September/Oktober/November eingewöhnt.

Wenn man so wie wir zeitlich flexible Jobs hat kann man sogar im Notfall Vollzeit arbeiten und trotzdem gemeinsam das Kind betreuen. Wir haben so sehr viele Krankheitstage im ersten Kitawinter überbrückt. Eine Person war etwa 7-15 Uhr arbeiten, die andere etwa 15-23 Uhr. Erstere Person kann im besten Fall die Fahrtwegzeit während des Nachtschlafs nacharbeiten, zweitere Person während des Mittagsschlafs vorarbeiten. Für das Kind war das ideal, für uns sehr sehr anstrengend, aber machbar.

*Beim Elterngeld Plus kann man alles zwischen gar nicht und 30 Wochenstunden arbeiten. Ab dem 15. Lebensmonat des Kindes darf der Elterngeldbezug nicht unterbrochen werden.

**Das ist nicht das gleiche wie die 2 sogenannten Partnermonate (im Volksmund „Vätermonate“), die sind schon in den 10 obengenannten Monaten mit dabei.

Das 50/50 Prinzip

Ich habe während meiner Schwangerschaft (2017) mit großem Interesse „Papa kann auch stillen“ von Stefanie Lohaus und Tobias Scholz gelesen, in dem es um das sogenannte „50/50 Prinzip“ geht: dass man sich Lohnarbeit und Sorgearbeit/Haushalt je zur Hälfte aufteilt. Stefanie Lohaus (die mir auch schon von der Missy dem Namen nach bekannt war) hat damals auch auf Zeit Online dazu geschrieben.

Für mich war es damals schon vor der Lektüre klar dass es bei uns auch so ablaufen soll, dann während der Lektüre dann dass es sicherlich in vielen Aspekten bei uns anders wird (z.B. bei der Aufteilung der Elternzeit), und kurz nach der Lektüre hatte ich dann (wie bei fast allen Büchern) eigentlich 90% wieder vergessen. Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir, wie erschreckend wenige Paaren das so machen, z.B. sich die Elternzeit in etwa gleich aufteilen. Dass ich so viel vergessen habe bedeutet nicht dass ich das Buch schlecht fand – ich finde es eigentlich ziemlich unterhaltsam.

Im Prinzip erzählt das Buch einfach ihre Geschichte, wobei sie sich kapitelweise abwechseln und in jedem Kapitel ein Thema behandeln: wie sie sich kennengelernt und verliebt haben (Kapitel 1), Schwangerschaft und wie sie sich (ziemlich spät, finde ich!) dann konkret über 50/50 unterhalten haben (Kapitel 2), die Geburt (Kapitel 3), das Wochenbett & maternal gatekeeping (Kapitel 4), die Aufteilung von Haus- und Familienarbeit in den ersten 2-3 Monaten, in denen sie in Elternzeit ist und er 50% arbeitet (Kapitel 5), wie sie das mit dem Stillen machen (Kapitel 6), der Beginn seiner 9-monatigen Eltern(teil)zeit und seine beginnende Desillusionierung was 50/50 angeht (Kapitel 7), ihre gleichzeitig beginnende Teilzeitarbeit (ca. 50%) (Kapitel 8), Bewertung des 50/50-Modells von anderen Männern/Vätern im Freundeskreis (Kapitel 9), ob das 50/50-Modell nur für Gutverdiener klappen kann (Antwort: Nein! Kapitel 10), ein Einblick in die Elternzeit mit 7 Monaten und wie die Interaktion mit unbekannten Vätern/Müttern funktioniert (Kapitel 11), Sex/Romantik (Kapitel 12), Kommunikation/Streit (Kapitel 13), dazu passend: Aufteilung der Hausarbeit, inklusive der Frage was man macht wenn man unterschiedliche Vorstellungen hat wie man sie zu erledigen hat (Kapitel 14), wie die Arbeitsstrukturen in Deutschland 50/50 erschweren, v.a. für Männer (Kapitel 15), Freiräume für sich schaffen (Kapitel 16), Finanzen (Kapitel 17), das Problem mit klassischen Frauen- und Männerbranchen (Kapitel 18), Elternzeit/Elterngeld allgemein (Kapitel 19). warum die Familienpolitik in Deutschland 50/50 erschwert (Kapitel 20).

Ich war beim ersten Lesen vor allem interessiert an den praktischen Sachen – Aufteilung der Elternzeit, der Familienarbeit und des Haushalts. Beim zweiten Lesen jetzt so ca. 3 Jahre später fallen mir Themen auf die ich komplett vergessen/verdrängt habe die auch sehr interessant sind, z.B. das Geld – wir gehören auch zu den Paaren die separate Konten haben und keine Ahnung was der andere verdient. Ich fand das nie so tragisch weil ich annehme dass auch mein Mann jetzt in etwa gleich viel verdient wie vor dem Kind, wo wir das ja auch so gehandhabt haben, aber sicher weiß ich es nicht. Kommunikation ist auch ein interessantes Thema – ich fand krass wie kleinteilig das alles abgesprochen wurde bei den beiden. Bei uns gibt es viel weniger Absprachen und soweit ich das erkennen kann auch weniger Streit, aber dafür ab und zu Chaos weil Dinge nicht richtig abgesprochen werden (die Laterne für den allerersten Laternenumzug 2018 hat z.B. niemand gebastelt; die musste ad-hoc aus Seidenpapier, Faden, Stock und Fahrradlampe gebastelt werden. Den Adventskranz 2019 hätten wir dafür fast doppelt gebastelt. Nur so als Beispiel). Ich war auch ein bisschen überrumpelt von dem im Prinzip negativen Bild das Tobias Scholz von seiner Elternzeit zeichnet – wie Jochen König auch schön beschreibt: es schwingt die Meinung durch dass er das seiner Freundin zuliebe macht, und für sich selbst fast nur Nachteile sieht, nicht zwangsweise im Job aber im sozialen Gefüge, also im Prinzip für seine Männlichkeit. Er hat sich zu meiner Überraschung auch gelangweilt in der Elternzeit. Und ich fand auch interessant (und damit hängen die letzten Punkte wahrscheinlich zusammen) dass sich das Buch nicht so liest als hätten sie Mitstreiter gehabt – Eltern die gleichzeitig in derselben Situation sind. Das ist bei uns schönerweise anders.

Eine Sache die ich sehr schade fand war dass die versprochene Webseite zum Buch anscheinend nie zustande kam. Ich fand wie gesagt die Geschichte der beiden ganz gut, es hätte mich aber ermutigt noch weitere Geschichten zu hören – durch das ganze Buch schwang immer so ein Beigeschmack der Einzigartigkeit, als gäbe es in ihrem aktuellen Umfeld eigentlich kein anderes Paar dass sich alles 50/50 aufteilt. Ich lese sehr gerne Elternblogs, aber insofern ich das überhaupt feststellen konnte leben nur wenige nach diesem Modell (was natürlich ihr gutes Recht ist — wenn alle Beteiligten zufrieden sind kann man sich natürlich aufteilen wie man will). Ich fände interessant: funktioniert das mit 50/50 denn auf Dauer? Im ersten Jahr des ersten Kindes ist es ja relativ einfach mit Elternzeit etc.