Ich habe während meiner Schwangerschaft (2017) mit großem Interesse „Papa kann auch stillen“ von Stefanie Lohaus und Tobias Scholz gelesen, in dem es um das sogenannte „50/50 Prinzip“ geht: dass man sich Lohnarbeit und Sorgearbeit/Haushalt je zur Hälfte aufteilt. Stefanie Lohaus (die mir auch schon von der Missy dem Namen nach bekannt war) hat damals auch auf Zeit Online dazu geschrieben.
Für mich war es damals schon vor der Lektüre klar dass es bei uns auch so ablaufen soll, dann während der Lektüre dann dass es sicherlich in vielen Aspekten bei uns anders wird (z.B. bei der Aufteilung der Elternzeit), und kurz nach der Lektüre hatte ich dann (wie bei fast allen Büchern) eigentlich 90% wieder vergessen. Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir, wie erschreckend wenige Paaren das so machen, z.B. sich die Elternzeit in etwa gleich aufteilen. Dass ich so viel vergessen habe bedeutet nicht dass ich das Buch schlecht fand – ich finde es eigentlich ziemlich unterhaltsam.
Im Prinzip erzählt das Buch einfach ihre Geschichte, wobei sie sich kapitelweise abwechseln und in jedem Kapitel ein Thema behandeln: wie sie sich kennengelernt und verliebt haben (Kapitel 1), Schwangerschaft und wie sie sich (ziemlich spät, finde ich!) dann konkret über 50/50 unterhalten haben (Kapitel 2), die Geburt (Kapitel 3), das Wochenbett & maternal gatekeeping (Kapitel 4), die Aufteilung von Haus- und Familienarbeit in den ersten 2-3 Monaten, in denen sie in Elternzeit ist und er 50% arbeitet (Kapitel 5), wie sie das mit dem Stillen machen (Kapitel 6), der Beginn seiner 9-monatigen Eltern(teil)zeit und seine beginnende Desillusionierung was 50/50 angeht (Kapitel 7), ihre gleichzeitig beginnende Teilzeitarbeit (ca. 50%) (Kapitel 8), Bewertung des 50/50-Modells von anderen Männern/Vätern im Freundeskreis (Kapitel 9), ob das 50/50-Modell nur für Gutverdiener klappen kann (Antwort: Nein! Kapitel 10), ein Einblick in die Elternzeit mit 7 Monaten und wie die Interaktion mit unbekannten Vätern/Müttern funktioniert (Kapitel 11), Sex/Romantik (Kapitel 12), Kommunikation/Streit (Kapitel 13), dazu passend: Aufteilung der Hausarbeit, inklusive der Frage was man macht wenn man unterschiedliche Vorstellungen hat wie man sie zu erledigen hat (Kapitel 14), wie die Arbeitsstrukturen in Deutschland 50/50 erschweren, v.a. für Männer (Kapitel 15), Freiräume für sich schaffen (Kapitel 16), Finanzen (Kapitel 17), das Problem mit klassischen Frauen- und Männerbranchen (Kapitel 18), Elternzeit/Elterngeld allgemein (Kapitel 19). warum die Familienpolitik in Deutschland 50/50 erschwert (Kapitel 20).
Ich war beim ersten Lesen vor allem interessiert an den praktischen Sachen – Aufteilung der Elternzeit, der Familienarbeit und des Haushalts. Beim zweiten Lesen jetzt so ca. 3 Jahre später fallen mir Themen auf die ich komplett vergessen/verdrängt habe die auch sehr interessant sind, z.B. das Geld – wir gehören auch zu den Paaren die separate Konten haben und keine Ahnung was der andere verdient. Ich fand das nie so tragisch weil ich annehme dass auch mein Mann jetzt in etwa gleich viel verdient wie vor dem Kind, wo wir das ja auch so gehandhabt haben, aber sicher weiß ich es nicht. Kommunikation ist auch ein interessantes Thema – ich fand krass wie kleinteilig das alles abgesprochen wurde bei den beiden. Bei uns gibt es viel weniger Absprachen und soweit ich das erkennen kann auch weniger Streit, aber dafür ab und zu Chaos weil Dinge nicht richtig abgesprochen werden (die Laterne für den allerersten Laternenumzug 2018 hat z.B. niemand gebastelt; die musste ad-hoc aus Seidenpapier, Faden, Stock und Fahrradlampe gebastelt werden. Den Adventskranz 2019 hätten wir dafür fast doppelt gebastelt. Nur so als Beispiel). Ich war auch ein bisschen überrumpelt von dem im Prinzip negativen Bild das Tobias Scholz von seiner Elternzeit zeichnet – wie Jochen König auch schön beschreibt: es schwingt die Meinung durch dass er das seiner Freundin zuliebe macht, und für sich selbst fast nur Nachteile sieht, nicht zwangsweise im Job aber im sozialen Gefüge, also im Prinzip für seine Männlichkeit. Er hat sich zu meiner Überraschung auch gelangweilt in der Elternzeit. Und ich fand auch interessant (und damit hängen die letzten Punkte wahrscheinlich zusammen) dass sich das Buch nicht so liest als hätten sie Mitstreiter gehabt – Eltern die gleichzeitig in derselben Situation sind. Das ist bei uns schönerweise anders.
Eine Sache die ich sehr schade fand war dass die versprochene Webseite zum Buch anscheinend nie zustande kam. Ich fand wie gesagt die Geschichte der beiden ganz gut, es hätte mich aber ermutigt noch weitere Geschichten zu hören – durch das ganze Buch schwang immer so ein Beigeschmack der Einzigartigkeit, als gäbe es in ihrem aktuellen Umfeld eigentlich kein anderes Paar dass sich alles 50/50 aufteilt. Ich lese sehr gerne Elternblogs, aber insofern ich das überhaupt feststellen konnte leben nur wenige nach diesem Modell (was natürlich ihr gutes Recht ist — wenn alle Beteiligten zufrieden sind kann man sich natürlich aufteilen wie man will). Ich fände interessant: funktioniert das mit 50/50 denn auf Dauer? Im ersten Jahr des ersten Kindes ist es ja relativ einfach mit Elternzeit etc.