Das gewünschteste Wunschkind…

eine Rezension des Buchs „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn – Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ (Danielle Graf & Katja Seide)

Ich kannte eigentlich viele (vielleicht sogar alle) Ideen schon von dem bekannten Blog. Ich fand es aber trotzdem interessant das Buch zu lesen (und außerdem eine Möglichkeit den Autorinnen quasi etwas zurückzugeben). Hier ein Zusammenfassung:

Kapitel 1: Die Wut der Kinder

In diesem Kapitel geht es zunächst darum, was im Gehirn vor sich geht bei einem Wutanfall. Die Idee ist dass der „kognitive“ Teil des Gehirns (der Neokortex) ausgeschaltet ist und nur der „emotionale“ Teil (das limbische System) funktioniert. In Kapitel 6 wird dann die Methode des Spiegelns vorgestellt, um Kinder in solchen Wutanfallsituationen ansprechen zu können. In Kapitel 1 geht es dann darum, dass Kinder in diesem Alter (ca. 1-4) Selbstregulierung (d.h. Umgang mit ihren Gefühlen) als auch Empathie erst erlernen müssen, und wie man ihnen dabei helfen kann. Das Wissen was Kinder alles noch nicht können in diesem Alter hilft, sie anders wahrzunehmen, d.h. ihnen nicht zu unterstellen dass ihr Verhalten böswillig ist, sondern zu erkennen dass sie Unterstützung brauchen (beim Erlernen von Selbstregulierung/Empathie).

Kapitel 2: Die Wut der Eltern

Hier geht es darum warum eigentlich die Eltern so wütend werden, und es gibt Tipps wie man sich davon befreien kann. Die Wut kann (i) mit Erlebnissen in der eigenen Kindheit zu tun haben, (ii) damit dass man den Kindern irgendwelche negative Motivationen unterstellt, z.B. die Eltern manipulieren zu wollen, (iii) oder damit weil man schlecht damit umgehen kann dass man sich hilflos gefühlt hat (weil man z.B. dem Kind nicht helfen kann oder es gerade in einer Gefahrensituation war). Die Tipps sind also sich bewusst zu werden warum man wütend ist und daran zu arbeiten. Es wird auch eine Methode vorgestellt („stummes Selbstgespräch“) mit der man sich in so einem Moment beruhigen kann damit man das Kind nicht anschreit (oder sogar schlägt). Die Idee ist dass man das stumm macht, also man stellt sich vor wie man das Kind anschreit (oder schlägt) bis man sich soweit beruhigt hat dass man normal mit dem Kind reden kann. Es wird auch eine Methode vorgestellt („Reise in die Vergangenheit“) wie man sich über Erlebnisse in der eigenen Kindheit klar werden kann.

Ich neige seitdem ich erwachsen bin überhaupt nicht zu Wut, aber ich kenne soetwas auch. Unser Kind hatte eine Phase in der es sich selbst wehgetan hat wenn es wütend war (Haare rausziehen, sich in die Hand beißen), das hat mich (für meine Verhältnisse, d.h. innerlich) sehr aggressiv gemacht. Mein Mann wird genervter als sonst wenn unser Kind jammert, es sich aber nach unechtem Weinen anhört. Das macht es manchmal bei Konflikten aber auch manchmal einfach so, wenn es spielt dass es ein Tierbaby ist (z.B. ein Welpe). In beiden Fällen ist die Wut/Verzweiflung größer als gerechtfertigt, also auch ein Indiz dass da etwas anderes dahinterstecken könnte. Es ist so hilfreich sich das vor Augen zu führen statt sich von seiner Wut/Verzweiflung leiten zu lassen.

Kapitel 3: Übersetzungshilfen für Eltern kleiner Wutwichtel

Hier entschlüsseln die Autorinnen Dinge die Erwachsene in Konfliktsituationen als provozierend empfinden (freche Antworten, freches Grinsen, absichtliches Provozieren), d.h. sie beschreiben eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten und warum es wichtig ist dass Eltern ruhig bleiben und liebevoll reagieren. Sie beschreiben dass Kinder weniger „provozieren“ wenn ihr „Kessel“ gefüllt ist, d.h. wenn sie das Gefühl haben genug Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Liebe zu erhalten. Deswegen soll man statt zu schimpfen besonders liebevoll und zugewandt sein und versuchen dem Kind das zu geben was es braucht um sich wertgeschätzt zu fühlen (eben den Kessel füllen).

Dann kommt ein sehr schönes Teilkapitel, „Baustelle Kooperation“. Da geht es darum, dass Kinder eigentlich von Natur aus kooperativ ist, es aber verschiedene Faktoren gibt die dazu führen dass wir das einfach nicht wahrnehmen: (i) weil wir eine falsche Vorstellung davon haben was Kooperation eigentlich bedeutet – wir denken es bedeutet dass Kinder machen was uns gerade passt, (ii) weil wir unser Kind kognitiv überschätzen (s.o.), (iii) weil wir übersehen wie häufig Kinder tatsächlich kooperieren, (iv) weil Erwachsene die Erwartung haben dass Kinder unkooperativ sind (da wird auch kurz über die möglicherweise kontraproduktive Auswirkung von Loben gesprochen). Ausserdem wird Kindern Kooperation häufig aberzogen, z.B. dadurch dass wir Kinder nicht an Dinge heranlassen die sie noch nicht können (z.B. bei der Hausarbeit) weil es meist noch mehr Arbeit macht.

Kapitel 4: Trotzdem: Autonomie fördern

Es ist daher wichtig Kooperationsbemühungen zu sehen und den Kindern mitzuteilen dass man sie gesehen hat. Ausserdem ist es wichtig, selbst Kooperation vorzuleben, indem man auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder wenn möglich eingeht, sowie soziales Verhalten/gesellschaftliche Regeln vorzuleben. Drittens ist es wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu geben selbst zu entscheiden ob und wann sie kooperieren möchten. Man muss den Kindern für ihre Entscheidung auch genug Zeit lassen. Hier wird auch beschrieben dass man dabei aber auch klar die eigenen Grenzen und Gefühle zeigen soll, also „authentisch sein“, damit die Kinder wissen welchen Einfluss ihre Entscheidung auf andere hat. Und außerdem soll man „klar“ sein. Die Autorinnen beschreiben dass Kinder Unsicherheit spüren können – im Großen wie im Kleinen. Im Großen bedeutet das dass man Vertrauen in seine Kinder und ihren Kooperationswillen haben soll und das auch ausstrahlen soll. Im Kleinen bedeutet das dass man klar sein soll was eigene Entscheidungen / Entscheidungsprozesse angeht, also z.B. statt eines zögerlichen Jas/Neins eher sagen dass man da erst noch einen Moment überlegen muss, oder die Kinder in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen – vielleicht haben sie eine kreative Lösung.

Kapitel 5: Tipps und Tricks für einen entspannten Alltag

Am Schluss gibt es ein Kapitel mit Beispielen von häufigen Konfliktsituationen, die jeweils eingeteilt sind in „Warum ist das so?“ und „Was hilft?“. Da geht es um Treppen steigen, anziehen, Teller/Becher herunterwerfen beim Essen, Wegrennen im Straßenverkehr, ins Bett gehen, Wickeln, usw.

Das Buch ist sehr schön weil es wahnsinnig viele Fallbeispiele gibt, es ist sehr konkret. Ich fand aber schade dass im Gegensatz zum Blog irgendwie Referenzen herausgestrichen wurden. Vielleicht macht man das so bei Sachliteratur die keine Fachliteratur ist (da kenne ich mich zu wenig aus), aber aus dem Blog ist klarer ersichtlich woher die Autorinnen ihre Erkenntnisse haben als aus dem Buch, finde ich. Ansonsten wie gesagt wirklich sehr sehr hilfreich, einfach und unterhaltsam geschrieben – ganz wie der Blog, den ich sehr gerne lese.

Warum muss ich schlafen?

Dieses Buch hat mein Mann bestellt von einer Seite die anti-rassistische Bücher verkauft, d.h. unter anderem sich bemüht, nicht nur weiße Protagonist*innen darzustellen (Tebalou heißt sie). Das Buch ist gleichzeitig auch anti-sexistisch. Es gibt eine Feuerwehrfrau, eine Astronautin, man sieht sowohl den Vater als auch die Mutter sich um die drei Kinder kümmern, und vieles mehr. Das Buch ist gleichzeitig auch sehr interessant (auch für die Vorlesenden, wir lernen auch was) und schön gemalt. Ich kann es sehr empfehlen.

Noch ist das Kind zu klein (eigentlich zu klein für das Buch, aber es mag es sehr), aber ich kann mir vorstellen dass es später evtl mal bei mir den Konflikt geben wird ob ich es korrigiere wenn es die Person die für mich ganz klar eine Feuerwehrfrau ist als Mann sieht. Das wird im Text nämlich offen gelassen. Im Prinzip ist es ja egal, das Kind hat auch etwas gewonnen wenn es weiß dass Männer nicht immer so „typisch männlich“ aussehen müssen.

Auf jeden Fall ist das eines der besten Bücher die wir haben, und kann ich es gar nicht erwarten die anderen Bücher in der Reihe zu kaufen, wenn unser Kind ein bisschen älter ist.

Bedürfnisorientierte Erziehung / Attachment Parenting

Ich bin sehr froh dass ich schon sehr früh auf dieses Thema gestoßen bin, eigentlich schon während der Schwangerschaft. Bedürfnisorientierte Erziehung ist ein Erziehungsstil der mich sehr angesprochen hat weil die grundliegende Idee dahinter sehr wertschätzend dem Kind gegenüber ist.

Man denkt vielleicht erst einmal, und in diese Falle bin ich auch erst getappt, dass die Grundidee ist, möglichst alle Wünsche des Kindes zu erfüllen. Aber das stimmt nicht, die Kernidee ist dass Kinder im Grunde kooperativ sind, und dass man versucht zu entschlüsseln was hinter irgendwelchen Konflikten die man mit dem Kind hat stecken könnte. Es geht darum zu verlernen dem Kind irgendwelche negativen Motive zu unterstellen und/oder ihm die Schuld für den Konflikt in die Schuhe zu schieben. Stattdessen soll man einerseits im Blick haben dass Kleinkinder in einem Entwicklungsstadium sind in dem sie mit sehr vielen Sachen noch nicht umgehen können und wir die Verantwortung haben ihnen dabei zu helfen das zu lernen. Andererseits sollte man wenn Konflikte gehäuft auftreten überlegen ob es irgendein Grundbedürfnis gibt das vielleicht nicht erfüllt ist. Also quasi weg von dem konkreten Fall (z.B. das Kind beißt andere Kinder) ganz rational zu ergründen was man machen kann um dem Kind generell zu helfen.

Welche Wünsche man nun erfüllt und welche nicht ist familiensache. Es ist schwieriger respektvoll „nein“ zu sagen als „ja“ (da man in diesem Moment ja quasi seine Macht als Elternteil durchsetzt), und z.B. die „gewünschtestes Wunschkind“ Autorinnen raten auch, sich das „Nein“ gut zu überlegen (also nicht dauernd z.B. aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, Angst vor der Meinung Anderer, usw. „nein“ zu sagen). Ich als Mensch der eher vielleicht zu häufig „Ja“ sagt (auch aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, und Konfliktscheu) bin aber auch der Meinung dass man sich auch sein „Ja“ wenn möglich gut überlegen soll. Also für Menschen wie mich ist es wichtig sich einen Moment Gedanken zu machen ob das Kind dabei etwas neues erleben und lernen kann (z.B. wenn es die Jacke erstmal nicht anziehen will sondern vielleicht erst draußen, wenn es mit irgendwelchem Schmodder spielen will den man selber eklig findet, wenn es irgendeinen komplett anderen Weg gehen will der einen gar nicht nach Hause bringt etc.), oder ob es etwas ist was eher negative Konsequenzen hat (Schokolade zum Frühstück, viel Medienkonsum). Ich denke auch das mit den negativen Konsequenzen kann man mal machen, aber eben nicht dauerhaft.

Andererseits muss man bei all dem auch gut zu sich sein. Also wenn man die Entscheidung trifft einem Wunsch nachzugehen und dann gleich danach merkt dass das keine gute Idee war (und man erzieht bindungsorientiert und sucht die Schuld für die Konsequenzen daher nicht beim Kind), hilft es, finde ich, sehr, das als eine Art Lernprozess zu sehen statt ein schlechtes Gewissen zu haben oder das Gefühl zu haben man hat in dem Moment als Elter versagt. Man muss eben lernen wie viel man dem Kind und auch sich selbst zumuten kann, und dabei Dinge ausprobieren. Bedürfnisorientierte Erziehung heißt eben auch, zu versuchen die Bedürfnisse aller Beteiligten (auch die eigenen) im Blick zu behalten und bei Entscheidungen zu berücksichtigen.

Ein Beispiel: Wenn ich z.B. dem Wunsch meines Kindes nachgebe einfach geradeaus zu laufen obwohl ich weiß dass wir dann nicht pünklich etwas zu Abend essen können und dann beide hungrig und genervt sind – ich noch mehr als das Kind -, dann darf ich die Schuld nicht beim Kind suchen. Ich bin ja die Erziehungsperson und es war letztendlich meine Entscheidung ob wir das machen. Ich sollte also nicht sagen: „Siehst du, das passiert wenn wir geradeaus laufen, das hast du jetzt davon.“ Ich sollte mir aber auch keine Vorwürfe machen. Es ist ja nichts schlimmes passiert: wir kaufen eine Brezel, das Abendessen wird ein bisschen nach hinten verschoben und das Kind hat dann evtl halt keinen Hunger mehr weil es schon eine Brezel gegessen hat. Dafür hat es herausgefunden was am Ende der Straße ist an der wir sonst immer vorbei laufen.

Ein anderes Beispiel: Ich gebe z.B. dem Wunsch meines Kindes nicht nach mit ihm vor anderen Menschen Hund und Herrchen/Frauchen zu spielen, weil ich Lust habe mich mit diesen Menschen zu unterhalten und es mir vor ihnen auch ein bisschen peinlich ist auf allen Vieren mit dem Po zu wackeln während ich einen Frisbee im Mund habe. Das Kind ist dann evtl sehr traurig und wütend und man muss ihm in diesem Moment helfen mit diesen Gefühlen umzugehen, d.h. es trösten und für es da sein. Das bedeutet aber nicht dass ich nachgebe und den Hund spiele, es bedeutet einfach dass ich anerkenne dass das Kind noch zu klein ist um alleine mit seinen negativen Gefühlen klar zu kommen, und ich oder wir versuchen zu helfen (häufig lässt sich das Kind bei uns eher von der Person trösten die den Wutanfall nicht mitverursacht hat). Das bedeutet natürlich auch dass mein Wunsch mit meinen Freunden zu reden in diesem Moment nicht erfüllt werden kann, aber das sollte ich dem Kind nicht vorwerfen – es kann ja nichts dafür dass es von seinen Gefühlen überrannt wird und sie noch nicht im Griff hat. Ich sollte aber auch kein schlechtes Gewissen haben weil ich quasi die Ursache des Wutanfalls bin. Mein Kind kann den Umgang mit negativen Gefühlen nur erlernen wenn es sie erlebt. Wenn wir also versuchen würden jeglichen Frust von ihm fernzuhalten, würden wir ihm auch keinen Gefallen tun. Außerdem, so schreibt Jesper Juul, ist es für die Kinder wichtig, die persönlichen Grenzen der Eltern zu erfahren um selbst später in der Lage zu sein, persönliche Grenzen zu setzen.

Elternzeit 50/50

(Alle allgemeinen Infos zur Elternzeit hier ohne Gewähr – ich hab mir das auch nur ergoogelt!)

Ich kenne einige Paare die sich die Elternzeit mehr oder minder 50/50 aufgeteilt haben, dabei 1-2 Monate überlappend damit das Kind sich an das bisher weniger präsente Elternteil gewöhnen kann (und man evtl. noch zusammen in den Urlaub fahren kann). Meist hat jedoch jeweils eine Person voll gearbeitet während die andere Person voll zuhause war. Als mein Mann und ich vor der Frage standen wie wir das machen wollen ist uns aber schnell klar geworden dass wir es uns beide nicht leisten konnten/wollten ein halbes Jahr am Stück nicht zu arbeiten – und wir uns auch keine der beiden Rollen besonders schön vorgestellt haben. Wir haben also etwas gemacht was wir sonst von keinem anderen Paar kannten, nämlich im ersten Jahr alles parallel. Wir waren zunächst 3 Monate beide mit dem Baby zuhause, dann haben wir jeweils ein paar Stunden wieder angefangen zu arbeiten und das langsam gesteigert bis wir nach 6 Monaten dann 50% gearbeitet haben. Dabei blieb es dann auch bis unser Kind ein Jahr war. Dann bin ich wieder 100% arbeiten gegangen, und mein Mann war etwa zwei Monate 100% mit dem Kind zuhause. Das war allerdings ein Planungsfehler meinerseits, ich dachte der Kitagutschein ab dem ersten Geburtstag bedeutet dass das Kind dann auch schon relativ zügig den ganzen Tag da bleibt. Dass unsere Eingewöhnung erst anderthalb Monate später beginnt weil natürlich nicht alle Kinder gleichzeitig eingewöhnt werden, und das dann auch trotz großer Kitabegeisterung des Kindes sehr langsam und behutsam gemacht wird hatte ich nicht bedacht. Außer diese letzten zwei Monate war das aber alles wunderschön und unkompliziert, wir haben uns nie allein mit dem Kind zuhause gelangweilt, bei der Kindererziehung nie außen vor oder uninvolviert gefühlt, und im Job auch größtenteils so gefühlt als würden wir am Ball bleiben.

Offiziell gehen wir allerdings nicht als 50/50-Paar in die Statistik des BMFSFJ ein – ich habe nach dem Mutterschutz erst einmal Basiselterngeld empfangen, und nach dem halben Jahr dann Elterngeld Plus bis ich wieder voll gearbeitet habe. Mein Mann, der selbstständig ist, hat offiziell gar keine Elternzeit genommen, und daher auch kein Elterngeld bekommen – er hat einfach gar keine / weniger Aufträge angenommen. Wir konnten uns das leisten weil wir immernoch einen sehr… ähm, sagen wir mal studentischen Lebensstil haben mit wenig Fixkosten, und auch Erspartes hatten.

Personen die dieses Modell in Erwägung ziehen, aber beide Elterngeld beziehen möchten, würde ich das Elterngeld Plus wärmstens empfehlen. Dabei geht man in der Regel* Teilzeit arbeiten und erhält Elterngeld zur Aufstockung. Elterngeld Plus erhält man doppelt so lange wie das Basiselterngeld. Wenn man wie wir die ersten 3 Monate komplett als Familie zuhause bleiben will und danach in Teilzeit arbeiten könnten also beide die ersten drei Monate komplett zuhause bleiben, und danach noch acht Monate gemeinsam Elterngeld Plus beziehen. Jetzt ist das Kind 11 Monate alt. Vier extra Monate kann man durch den sogenannten Partnerschaftsbonus** erhalten, den gibt es aber nur wenn beide Elternteile zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten – also jeweils etwas mehr als 50%. Generell geht das mit dem gleichzeitig Teilzeit arbeiten nur wenn entweder beide entweder kompatible regelmässige Arbeitszeiten aushandeln können (z.B. feste Wochentage) oder mindestens eine Person flexible Arbeitszeiten hat und diese um die Arbeitszeiten des anderen herumplanen kann. Bei den Partnerschaftbonusmonaten ist man dann mit flexiblen Arbeitszeiten im Vorteil – ansonsten braucht man einen Babysitter. Nach Ablauf dieser vier Monate ist das Kind 15 Monate alt und man hat keinen Anspruch mehr auf Elterngeld. Falls die Kita noch nicht angefangen hat hat man also dann dasselbe Problem wie Eltern die Vollzeit mit Kind zuhause bleiben, nur eben 1-3 Monate später. Man müsste dann also bis das Kind in die Kita geht so weitermachen wie bisher, nur ohne finanzielle Aufstockung. Wichtig ist dass beide Eltern bis zum dritten Geburtstag des Kindes einen Anspruch auf Elternzeit haben, dazu gehört auch die Möglichkeit währenddessen in Teilzeit zu arbeiten (bis zu 30 Wochenstunden). Nur der Anspruch auf Elterngeld erlischt, man hat trotzdem einen Anspruch darauf in Teilzeit zu arbeiten. Wenn man es sich finanziell leisten kann wäre es vermutlich entspannter für die Kitaplatzsuche wenn beide einplanen, erst im auf den 1. Geburtstag folgenden Herbst/Winter mit der Eingewöhnung zu beginnen – die meisten Kitaplätze werden ja im August frei wenn die ältesten Kinder eingeschult werden. Die Kinder werden also im September/Oktober/November eingewöhnt.

Wenn man so wie wir zeitlich flexible Jobs hat kann man sogar im Notfall Vollzeit arbeiten und trotzdem gemeinsam das Kind betreuen. Wir haben so sehr viele Krankheitstage im ersten Kitawinter überbrückt. Eine Person war etwa 7-15 Uhr arbeiten, die andere etwa 15-23 Uhr. Erstere Person kann im besten Fall die Fahrtwegzeit während des Nachtschlafs nacharbeiten, zweitere Person während des Mittagsschlafs vorarbeiten. Für das Kind war das ideal, für uns sehr sehr anstrengend, aber machbar.

*Beim Elterngeld Plus kann man alles zwischen gar nicht und 30 Wochenstunden arbeiten. Ab dem 15. Lebensmonat des Kindes darf der Elterngeldbezug nicht unterbrochen werden.

**Das ist nicht das gleiche wie die 2 sogenannten Partnermonate (im Volksmund „Vätermonate“), die sind schon in den 10 obengenannten Monaten mit dabei.

Das 50/50 Prinzip

Ich habe während meiner Schwangerschaft (2017) mit großem Interesse „Papa kann auch stillen“ von Stefanie Lohaus und Tobias Scholz gelesen, in dem es um das sogenannte „50/50 Prinzip“ geht: dass man sich Lohnarbeit und Sorgearbeit/Haushalt je zur Hälfte aufteilt. Stefanie Lohaus (die mir auch schon von der Missy dem Namen nach bekannt war) hat damals auch auf Zeit Online dazu geschrieben.

Für mich war es damals schon vor der Lektüre klar dass es bei uns auch so ablaufen soll, dann während der Lektüre dann dass es sicherlich in vielen Aspekten bei uns anders wird (z.B. bei der Aufteilung der Elternzeit), und kurz nach der Lektüre hatte ich dann (wie bei fast allen Büchern) eigentlich 90% wieder vergessen. Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir, wie erschreckend wenige Paaren das so machen, z.B. sich die Elternzeit in etwa gleich aufteilen. Dass ich so viel vergessen habe bedeutet nicht dass ich das Buch schlecht fand – ich finde es eigentlich ziemlich unterhaltsam.

Im Prinzip erzählt das Buch einfach ihre Geschichte, wobei sie sich kapitelweise abwechseln und in jedem Kapitel ein Thema behandeln: wie sie sich kennengelernt und verliebt haben (Kapitel 1), Schwangerschaft und wie sie sich (ziemlich spät, finde ich!) dann konkret über 50/50 unterhalten haben (Kapitel 2), die Geburt (Kapitel 3), das Wochenbett & maternal gatekeeping (Kapitel 4), die Aufteilung von Haus- und Familienarbeit in den ersten 2-3 Monaten, in denen sie in Elternzeit ist und er 50% arbeitet (Kapitel 5), wie sie das mit dem Stillen machen (Kapitel 6), der Beginn seiner 9-monatigen Eltern(teil)zeit und seine beginnende Desillusionierung was 50/50 angeht (Kapitel 7), ihre gleichzeitig beginnende Teilzeitarbeit (ca. 50%) (Kapitel 8), Bewertung des 50/50-Modells von anderen Männern/Vätern im Freundeskreis (Kapitel 9), ob das 50/50-Modell nur für Gutverdiener klappen kann (Antwort: Nein! Kapitel 10), ein Einblick in die Elternzeit mit 7 Monaten und wie die Interaktion mit unbekannten Vätern/Müttern funktioniert (Kapitel 11), Sex/Romantik (Kapitel 12), Kommunikation/Streit (Kapitel 13), dazu passend: Aufteilung der Hausarbeit, inklusive der Frage was man macht wenn man unterschiedliche Vorstellungen hat wie man sie zu erledigen hat (Kapitel 14), wie die Arbeitsstrukturen in Deutschland 50/50 erschweren, v.a. für Männer (Kapitel 15), Freiräume für sich schaffen (Kapitel 16), Finanzen (Kapitel 17), das Problem mit klassischen Frauen- und Männerbranchen (Kapitel 18), Elternzeit/Elterngeld allgemein (Kapitel 19). warum die Familienpolitik in Deutschland 50/50 erschwert (Kapitel 20).

Ich war beim ersten Lesen vor allem interessiert an den praktischen Sachen – Aufteilung der Elternzeit, der Familienarbeit und des Haushalts. Beim zweiten Lesen jetzt so ca. 3 Jahre später fallen mir Themen auf die ich komplett vergessen/verdrängt habe die auch sehr interessant sind, z.B. das Geld – wir gehören auch zu den Paaren die separate Konten haben und keine Ahnung was der andere verdient. Ich fand das nie so tragisch weil ich annehme dass auch mein Mann jetzt in etwa gleich viel verdient wie vor dem Kind, wo wir das ja auch so gehandhabt haben, aber sicher weiß ich es nicht. Kommunikation ist auch ein interessantes Thema – ich fand krass wie kleinteilig das alles abgesprochen wurde bei den beiden. Bei uns gibt es viel weniger Absprachen und soweit ich das erkennen kann auch weniger Streit, aber dafür ab und zu Chaos weil Dinge nicht richtig abgesprochen werden (die Laterne für den allerersten Laternenumzug 2018 hat z.B. niemand gebastelt; die musste ad-hoc aus Seidenpapier, Faden, Stock und Fahrradlampe gebastelt werden. Den Adventskranz 2019 hätten wir dafür fast doppelt gebastelt. Nur so als Beispiel). Ich war auch ein bisschen überrumpelt von dem im Prinzip negativen Bild das Tobias Scholz von seiner Elternzeit zeichnet – wie Jochen König auch schön beschreibt: es schwingt die Meinung durch dass er das seiner Freundin zuliebe macht, und für sich selbst fast nur Nachteile sieht, nicht zwangsweise im Job aber im sozialen Gefüge, also im Prinzip für seine Männlichkeit. Er hat sich zu meiner Überraschung auch gelangweilt in der Elternzeit. Und ich fand auch interessant (und damit hängen die letzten Punkte wahrscheinlich zusammen) dass sich das Buch nicht so liest als hätten sie Mitstreiter gehabt – Eltern die gleichzeitig in derselben Situation sind. Das ist bei uns schönerweise anders.

Eine Sache die ich sehr schade fand war dass die versprochene Webseite zum Buch anscheinend nie zustande kam. Ich fand wie gesagt die Geschichte der beiden ganz gut, es hätte mich aber ermutigt noch weitere Geschichten zu hören – durch das ganze Buch schwang immer so ein Beigeschmack der Einzigartigkeit, als gäbe es in ihrem aktuellen Umfeld eigentlich kein anderes Paar dass sich alles 50/50 aufteilt. Ich lese sehr gerne Elternblogs, aber insofern ich das überhaupt feststellen konnte leben nur wenige nach diesem Modell (was natürlich ihr gutes Recht ist — wenn alle Beteiligten zufrieden sind kann man sich natürlich aufteilen wie man will). Ich fände interessant: funktioniert das mit 50/50 denn auf Dauer? Im ersten Jahr des ersten Kindes ist es ja relativ einfach mit Elternzeit etc.